774 Balern. Kammer der Abgeorducten.
dem Unerreichbaren verlieren!“ Meine Herren! Es ist heute wiederholt
eine Befürchtung ausgesprochen worden, die schon in den ersten Tagen der
Diskussion sehr lauten Ansdruck fand, die Befürchtung nämlich, daß die
naturgemäße Entwicklung des neuen Deutschen Reiches, das wir schaffen
wollen, die Mediatisirung Baierns, die Mediatisirung der baierischen Dynastie
sei. Meine Herren! Ich lasse mich hier nicht ein auf das, was schon
früher gesagt worden ist über die ganz mißbräuchliche Anwendung des Wor-
tes „Mediatisirung“ auf den politischen Vorgang, mit dem wir es hier zu
thun haben. Aber anbindend an das, was der Herr Kriegsminister ge-
sagt hat, daß nämlich die baierische Dynastie vor der Mediatisirung am
allerbesten werde geschützt werden durch das baierische Volk, glaube ich noch
einen Schritt weiter gehen und sagen zu dürfen: „Die baierische Dynastie
ist vor der Mediatisirung geschützt durch die Dankbarkeit des ganzen deut-
schen Volkes, nicht nur des baierischen Volkes.“ Denn, meine Herren, das
deutsche Volk, dem man Undankbarkeit als Charaktergrundzug gemiß nicht
wird nachreden können, das deutsche Volk wird sicherlich niemals vergessen,
daß das Haupt der Dynastie Wittelsbach im Juli 1870 den Ausschlag gab,
als es sich darum haudelte, ganz Deutschland in Waffen einig dem Auslande
entgegenzustellen, und das deutsche Volk wird auch niemals vergessen, daß
der König von Baiern am Schlusse des Jahres 1870 wieder den Ausschlag
gab, als es sich darum handelte, das neue Deutsche Reich zu schaffen und
ihm die Gestalt zu geben, die ihm nach Außen den Charakter des einigen
Reiches aufprägt. (Bravo.) Meine Herren! Der Widerstand, der hier in
diesem Hause gegen die Neugestaltung Deutschlands geübt wird. kann riel-
leicht uns, das baierische Volk, um einen Theil des Dankgefühles bringen,
das Deutschland uns entgegenträgt, aber unserm Könige wird von dem Danle,
den ihm Deutschland zollt, durch die Vorgänge in diesem Hause nichts ent-
zogen werden; denn Deutschland weiß: dafür kann Er nichte! (Bravo.)
Meine Herren! Es ist weiter gesagt worden, wenn einmal Baiern dem
Deutschen Reiche angehört, und wenn die baierischen Abgeordneten im Deut-
schen Reichstage sitzen, so werde von uns, von den Vertretern der liberalen
Richtung bald daran gegangen werden, die zu Gunsten Baierns im Ver-
trage enthaltenen Reservate Stück für Stück abzubröckiln und dem Einheits-
staate zum Oxfer zu bringen. Meine Herren, glauben Sie das nicht! Ich
und viele Andere, die der liberalen Partei im Lande und in diesem Saale
angehören, haben auch etwas von Partikularismus in uns. Wir waren zwar
stets gerne bereit und sind noch bereit, Alles Das zu opfern, was nothwen-
dig war und ist, um ein geachtetes, einiges und starkes Deutschland zu
schaffen; aber, meine Herren, wir werden uns auch wehren, wenn uns Zu-
muthungen gemacht werden, die nicht nothwendig sind zur Erreichung des
großen Iweckes. Wir werden, ich zweifle gar nicht daran, wenn wir ein-
mal im deutschen Reichstage sitzen, uns hie und da unserer partikularistischen
Haut wehren müssen. Meine Herren, wir werden Das auch thun. Sie