Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Fischer. 775 
werden mir aber zustimmen, wenn ich sage, die Nothwendigkeit, uns unserer 
Haut zu wehren, könne in verschiedener Lage an uns treten. Wir können 
uns unserer Haut wehren müssen unter Umständen, unter denen es leicht ist, 
es mit Aussicht auf Erfolg zu thun; es kann aber auch sein, daß diese Noth- 
wendigkeit eintritt unter Umständen, unter denen es schwer ist, es zu thun. 
Glauben Sie denn nicht, daß die 48 Reichstagsabgeordneten aus Baiern mit 
ganz anderer Aussicht auf Erfolg im deutschen Reichstage auftreten und reden 
konnen, wenn sie rechtzeitig und unverdächtig in Beziehung auf ihre nationale 
Gesinnung hinkommen? Wenn dort bei jeder Gelegenheit, bei der es sich darum 
handelt, ein spezifisch baierisches Interesse zu vertheidigen, der durch die Umstände 
erzeugte Verdacht auftauchen kann, wir wollten durch eine Hinterthüre ein 
Stück der dem Reiche gebrachten nothwendigen Opfer zurückholen und dem 
Reiche wieder entziehen, dann, meine Herren, werden wir geringe Aussicht 
auf Erfolg haben auch in den Fällen, in denen wir zweifellos im Rechte 
sind. Aber, meine Herren, wenn wir hinkommen unter Umständen, unter 
denen man gestehen muß, die Baiern haben, wenn sie auch in dieser oder jener 
Beziehung verschiedener Ansicht sind und verschiedenen politischen Parteien an- 
gehören, doch in der Stunde der Gefahr, und dann, als es sich um die 
Schaffung des Reiches handelte, alle klar bewiesen, daß sie als Deutsche 
füblen und handeln, wenn wir so hinkommen, dann haben wir Aussicht, daß 
man auf unsere Worte hört, und dann haben wir Aussicht, daß man Respekt 
begt vor dem einmüthigen Auftreten der baierischen Vertreter im Deutschen 
Reichstage. Wenn wir aber, nachdem die übrigen Vertreter des deutschen 
Volkes vorher Monate lang getagt haben, wenn wir nach einer Kammer= 
auflosung oder vielleicht nach zwei Kammerauflösungen mit Ach und Krach 
in den Deutschen Reichstag kommen, dann, meine Herren, werden wir aller- 
dings einige Zeit brauchen, bis man uns dort als vollständig auf gleichem 
Beden stehende Vertreter der deutschen Nation ansieht. Wenn wir recht- 
zeitig am Platze sind, dann wird man uns, wie es auch unseren Soldaten 
im Felde begegnete, mit einem freudigen: „Hurrah, die Baiern sind da!“ 
begrüßen, dann, meine Herren, ist die Stimmung eine ganz andere, dann 
begegnen wir uns unter Umständen, unter denen wir mit voller Zuversicht 
boffen dürfen, daß wir für das Land behaupten können, was des Landes ist, 
weil man zu uns das Vertrauen haben wird, daß wir auch dem Reiche 
geben, was des Reiches ist! — Meine Herren, über die nachtheiligen VFolgen, 
welche die Annahme der Verträge haben soll, wurde uns Vieles, außeror- 
dentlich Vieles, gesagt, wenn auch an dem Vielen nicht viel war. Aber 
tretz aller Aufforderungen, die wiederholt gestellt wurden, wollten die Gegner 
sich nicht herbeilassen, uns einmal klar zu sagen, was die Folge der Ableh- 
nung der Verträge sein soll. Oft und stark genug kam die Provokation an 
die Gegner, aber sie wichen ihr aus, sie wollten chen nicht mit dürren Worten 
belennen, daß sie eigentlich im Dunkeln herumtappen, daß sie selbst nicht 
wissen, was werden soll, daß sie Alles dem Zufalle überlassen und va banque
	        
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