Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Fischer. 777 
erfüllen. Das größte Mißtrauen herrscht auf Seite der Herren Gegner. Wir 
sollen Prcußen zutrauen, daß es die feierlichen Versprechungen bricht, daß es 
sich durch die klarsten Verfassungsbestimmungen nicht als gebunden erachtet, 
daß es sich über alle Rücksichten hinwegsetzt. So wird gesprochen, wenn 
man zur Ablehnung der Verträge räth! Wemn wir dann aber warnen, daß 
Preußen am Ende den Zollverein künden und uns dadurch große materielle 
Opfer auferlegen werde, dann sagt man uns, das könne Preußen nicht thun, 
und das werde Preußen nicht thun, denn Preußen sei gar rücksichtsvoll und 
freundlich gegen uns! Nun, meine Herren! Entweder — oder! Entweder 
glauben Sie, daß Preußen wirklich so rücksichtsvoll ist, als Sie es schildern, 
wenn wir von der Sprengung des Jollrereins reden — dann haben Sie 
auch keine Ursache, Mißtrauen zu hegen bezüglich des Zustandes, der nach 
Annahme der Verträge eintreten wird. Oder Sie glauben wirklich, Preußen 
sei so rücksichtslos, wie Sie es schildern, wenn Sie gegen die Verträge 
sprechen — dann haben Sie auch keine Ursache, daran zu zweifeln, daß 
Preußen den Muth haben wird, von seinem Rechte Gebrauch zu machen und 
uns den Jollverein zu künden. Allerdings hat uns der Herr Abg. Kolb 
und hat uns noch ein anderer Herr Redner gesagt, wenn der Zollverein 
gesprengt werde, so würden wir es auch aushalten können, und der Nachtheil, 
der dadurch Norddeutschland zugehe, sei mindestens ein eben so großer, als 
derjenige, der uns zugeht. Es ist dem gegenüber schon von dem Herm 
Handelsminister darauf aufmerksam gemacht worden, daß doch ein großer 
Unterschied besteht zwischen beiden Theilen. Baiern hat 5 Millionen, die 
übrigen Gebiete haben 35 Millionen Einwohner. Der Verlust vertheilt sich 
bei uns auf eine geringere Anzahl von Köpfen als dort, und nach allgemei- 
nem menschlichen Ermessen darf man annehmen, daß die 35 Millionen das 
Zuwarten länger aushalten als die 5 Millionen. Aber, meine Herren, es 
ist noch ein anderer Umstand hier zu berücksichtigen, der schwer ins Gewicht 
fällt. Wenn wegen unserer Absonderung vom Deutschen Reiche sich das 
Reich veranlaßt sieht, einen Druck auf uns zu üben, einen materiellen Druck 
durch die Sprengung des Zollvereins, weil man durch diesen Druck einen 
politischen Erfolg erzielen kann, dann, meine Herren, können Sie überzeugt 
sein, daß die verhältnißmäßig geringen Verluste vom Reiche gerne ertragen 
werden, weil die Bewohner des Reiches die politische Nothwendigkeit und 
Nützlichkeit einsehen; aber bei uns werden die weil größeren materiellen Be- 
schädigungen nicht willig ertragen werden, weil die große Mehrzahl des 
baierischen Volkes die Nothwendigkeit nicht einsehen wird, daß es wegen der 
politischen Liebhabereien von fünfzig und noch einigen baierischen Abgeord- 
neten den Zollverein und seine Segnungen entbehren soll! Hierin liegt der 
große Unterschied. Ich Reiche würde das Volk sich fügen, weil es den Ueber- 
gangszustand als zweckmäßig erkennt; bei uns würde das Volk sich nicht 
sügen, weil es diesen Uebergangszustand als nicht zweckmäßig erkennt. Wenn 
der Herr Abg. Wiesnet dieses Widerstreben, das sich in unserem Volke
	        
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