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wehr bei Fuß gegen einander stehen zum Sprung bereit. Der Militaris-
mus müßte die höchsten Interessen der Nationen und Völker überfluthen,
und fragen Sie sich selbst, meine Herren: wie kann man die Fortdauer
eines solchen Zustandes verträglich finden mit dem Jahrhundert der Huma-
nität und Civilisation? Aber, meine Herren, der Gegensatz einer solchen in-
ternationalen Rechtsordnung in Europa ist die Fortdauer des unseligen Prin-
zips, das der unselige Mann in den Tuilerien in unsere Welt hineinge-
schleudert hat. Es ist die Fortdauer der unbeschränkten Herrschaft der Na-
tionalitäten-Politik Ich muß wieder zurückkommen auf eine Aeußerung,
welche der Herr Staatsminister v. Schlör gethan hat. Er hat gesagt, das
Prinzip der Nationalität sei es nicht, worauf die Verträge sich gründen.
Nun, meine Herren, ist das richtig, dann weiß ich Eines nicht, ich weiß
dann nämlich nicht, wie man es uns zur „nationalen Pflicht" machen kann,
bei Strafe des Ausschlusses aus der deutschen Nation auf die Verträge ein-
zugehen. Ist das nicht der Fall, so weiß ich nicht, auf welches Prinzip das
neue Reich gegründet sein soll. Aber das weiß ich, meine Herren, daß dann
Niemand den Eintritt in dasselbe uns zur nationalen Pflicht machen kann.
Doch das im Vorbeigehen. Herr v. Schlör hat weiter gesagt: „Wären
die Verträge auf das Prinzip der Nationalität gegründet, so würden wir
nicht am Ende der Entwicklung stehen. sondern mit der ganzen Welt Krieg
anfangen müssen.“ Darin hat Herr v. Schlör sehr recht: das wäre dann
eben der Gegensatz von jener internationalen Rechtsordnung unseres Welt-
theils, wovon ich gesprochen habe. Aber dann, meine Herren, setzen Sie
diesen Fall, setzen Sie den Fall, daß das furchtbare Wort in Erfüllung
gehen würde, mit welchem der König von Preußen den letzten Reichstag er-
öÖöffnet hat: in wenig Jahren würden wir wieder einen Krieg haben, den
Rachekrieg mit Frankreich, das dann nicht mehr ohne Alliirte sein wird —
setzen Sie den Fall, dann, meine Herren, sind wir auch sicher bei der be-
rechtigten Selbstständigkeit Baierns innerhalb der Deutschen Nation. Preußen
wird dann auf uns sehen müssen, es wird uns schonen müssen, und es wird
uns den Zollverein nicht nur nicht kündigen, sondern sogar garantiren.
Denn Sie wissen ja — nicht nur Herr Dr. Frankenburger hat es Ihnen
vorgelesen, auch der Minister v. Varnbühler hat seiner Zeit in der Stutt-
garter Kammer eine Depesche des Grafen Bismarck darüber vorgelegt —
mit dem Zollvereinsvertrage hängt der Allianzvertrag so untrennbar zusam-
men, daß der eine mit dem andern fällt. So, meine Herren, bin ich der
Meinung, die Stellung Baierns wäre heute noch so „unangreifbar“" wie da-
mals, als Se. Errellenz der Herr Staatsminister v. Bray diesen Ausdruck
gebraucht hat. Se. Ercellenz Herr Graf v. Bray wird nicht daran gedacht
haben, daß diese Unangreifbarkeit daher komme, weil das damals noch
mächtige Frankreich seinen Schild über uns halte, und ich habe jeden Augen-
blick meines Lebens einen solchen Gedanken perhorreszirt und perhorreszire
ihn noch. Und dennoch sage ich: unsere Stellung ist unangreifbar, wenn