Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

796 Balern. Kammer der Abgeordneten. 
wir uns unserer Stellung nicht — selbst begeben wollen. Meine Herren! 
Ich komme jetzt auf einen andern Punkt. Man hat uns das Volk gegen- 
über gehalten. Man hat gesagt: „die baierischen Zustände würden uner- 
träglich werden durch die Ablehnung der Verträge.“ Man hat gesagt: nur 
„zum allerkleinsten Theil“ hätten die Weigerer auf dieser Seite des Hauses 
das baierische Volk hinter sich. „Drei Viertel der Bevölkerung, hat Herr 
ID)r. Völk gesagt, wünscht die Annahme“; ein Anderer: „fünf Sechstel“. 
Herr Graf Fugger aber hat gesagt: „Die Verträge haben Schrecken erregt 
im ganzen baierischen Volke.“ Nun, meine Herren, die Meinungen gehen 
offenbar auseinander. Und was wollen wir denn? Was verlangen wir denn 
diesem Zwiespalt der Meinungen gegenüber? Nun, meine Herren, wir ver- 
langen das Loyalste, was man verlangen kann; wir verlangen: — wenn je 
eine Berufung an das Land am Platze war, so ist dieß jetzt der Fall. 
Fragen Sie: ob das Volk will oder nicht! Allerdings hat man entgegenge- 
halten, eine Kammerauflösung würde „eine Agitation herbeiführen bis auf's 
Messer", während die Annahme der Verträge den lange entbehrten Frieden 
zurückführen würde in unser Land. Ich erlaube mir in Bezug auf den 
letzteren Punkt meine absolute Hoffnungslosigkeit darzuthun. In meinen 
Augen, und ich glaube mich nicht zu täuschen, liegt der Dissens zwischen 
uns viel tiefer, er liegt noch klaftertief weiter unten als die Deutsche Frage. 
Ich habe mir in meinem mündlichen Vortrage bereits erlaubt, das traurige 
Geständniß zu machen, daß ich glaube, wenn die Verträge angenommen 
werden, dann gehe innerhalb des uns noch gewährten kleineu Spielraumes 
der Hexensabbath, der furchtbare Streit der Parteien gerade über die empfind- 
lichsten Prin zipien erst recht an. Aber, meine Herren, eine Agitation bis 
auf's Messer sei zu fürchten! Nun diese Agitation — wir haben sie bereits, 
und ich fürchte, wollen wir das jetzt vermeiden, so bekommen wir sie statt 
einmal — zweimal. Sehen Sie, meine Herren, ich darf mir das Zeugniß 
geben, daß ich vor Ihnen nie hinter dem Berge gehalten habe. Ich will 
Ihnen jetzt sagen, was ich glaube und dafür halte in Bezug auf die Fort- 
dauer der jetzigen Kammer, wenn wir die Verträge annehmen. Ich glaube, 
meine Herren, es wird eine solche Deroute entstehen auf der Seite des 
Hauses, eine solche innere Auflösung auf der Seite des Hauses, eine solche 
moralische Zerrüttung auf der Seite des Hauses, daß, ob die Minister 
wollen oder nicht, sie dieser Auflösung die gesetzliche Auflösung früher oder 
später werden nachfolgen lassen müssen. Für uns ist der Unterschied in 
meinen Augen blos der: jetzt könnten wir uns wehren, nachher werden wir 
es nicht mehr können. Ich betrachte die Annahme der Verträge von unserer 
Seite für die baierische Kapitulation von Sedan. Nur noch ein Wort. 
Man hat in diesem Hause wiederholt in den letzten Tagen gesagt, ich sei 
das einzige Hinderniß, daß die Verträge nicht angenommen würden oder 
nicht schon angenommen seien. Ich habe mich dagegen bereits verwahrt. 
Ich weiß auch nicht, wie man auf solche Meinung kommen kann. Ich war
	        
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