Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Lus. 803 
desten die Selbstständigkeit Baierns angetastet wird — so lauten die steno- 
graphischen Berichte. — Daß die Selbstständigkeit Baierns in gar keinem Punkte 
gefährdet und angetastet werde, das ist nur aufrecht zu halten unter Negation 
jedes Bundes. Und wenn es Leute in diesem Hause gibt, die diesen Standpunkt 
tbeilen, dann, meine Herren, war es nicht gerechtfertigt zu sagen, es gäbe Nie- 
mand in diesem Hause, der die (Einheit Deutschlands ausgeschlossen wissen 
wollte. Niemand, meine Herren kann in Zweifel sein, daß zur Herstellung 
einer nationalen Einigung sehr werthvolle Rechte abgetreten werden müssen. 
Nehmen Sie diesen Maßstab zur Hand und ziehen Sie das vierte Stadium, 
von dem ich gesprochen habe, in Betracht, dann glaube ich wiederholt be- 
baupten zu dürfen, die Regierung habe ihren Standpunkt gewahrt. Die 
Regierung hat, um von dem ersten Stadium zu sprechen, damals die natio- 
nale Einigung in Anssicht genommen. Was wir damals sagten, war der 
linken Seite des Hauses zu wenig, — so wenig, daß ich glaube, es ist von jener 
Seite außerordentlich geringes Gewicht auf die betreffende Stelle der Thron- 
rede’) gelegt worden, und hätte ich noch einen Zweifel darüber gehabt, so hätte 
das Lächeln, welchem meine Angen von diesem Platze aus bei der Vorlage 
der Verträge und bei der entsprechenden Stelle meiner Erörterung begegneten, 
mich darüber vollständig aufklären müssen. Es war darum doch keine bloße 
Redensart, was damalt ausgesprochen wurde, denn den Herren auf dieser 
Seite des Hauses (der Rechten) war das, was wir damals gesagt haben, zu 
viel, wenn wir anders über die Aufnahme, welche die Thronrede gefunden 
hatte, recht berichtet gewesen sind. Das läßt sich nicht wegdisputiren: in der 
Thronrede ist die nationale Einigung als etwas, was unter Bedingungen 
zugelassen ja sogar angestrebt werden soll, in Aussicht genommen. Wenn 
Sie unsern Ausspruch von damals recht würdigen wollen, so dürfen Sie auch 
nicht vergessen, daß Baiemm damals nicht allein gestanden ist, daß wie da- 
mals Baiern und seine Regierung sprach, auch noch die anderen Südstaaten 
gesprochen haben, ja daß diese vielleicht noch entschiedener, als dies bei uns 
der Fall war, die Wahrung der Selbständigkeit betont haben. — Gehen wir 
nunmehr zum zweiten Stadium über, so werden Sie mit mir darin einver- 
standen sein, daß mit der Erklärung, die Stellung Baieins sei unautastbar, 
nicht gemeint gewesen sein kann, daß das Anstreben oder das Eingehen auf 
die nationale Einigung ausgeschlossen werden solle. Mit der Erklärung 
ferner, daß man eine Interpretation der Allianzverträge anstreben werde, 
kann nicht gemeint sein, daß man unter allen Umständen an den Allianz- 
verträgen festhalten und nichts Anderes an ihre Stelle setzen werde. Mit 
der Erklärung, daß man die Garantie des Zollvereins für alle Zeiten an- 
streben wird, kann nicht gemeint sein, daß man dies nur mit einem lediglich 
den Zollverein ims Auge fassenden Staaterertrag zu erreichen suchen werde. 
Es kann damit nicht die natioenale Einigung abgelehnt gewesen sein. Jene 
Erklärung kann vielmehr nur verstanden werden: vorbehaltlich des principiellen 
*) Siehe unten.
	        
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