812 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
Selbstständigkeit dieser Minister ist dahin; ich würde damit nichts anderes
zugeben, als daß wir, was wir thun mußten, in wesentlichen Punkten Zu-
geständnisse an das Gemeinwesen gemacht haben, und daß diese Zugeständ-
nisse gerade die drei Minister treffen, welche die Verträge abgeschlossen baben.
Denn die andern Minister treffen diese Zugeständnisse so gut wie gar nicht.
Heute rufe ich Ihnen zu: Wo ist die Beschränkung der Selbständigkeit des
Ministers des Junern, wo ist die Beschränkung der Selbstständigkeit des
Ministers der Finanzen, wo die des Handelsministers, wo die des Kultus-
ministers? Aber, meine Herren, ich denke, auch außerdem vermag ich den
Ruf: „wo ist meine Selbstständigkeit! zu rechtfertigen. Ich habe es im
Ausschuß gethan, und um kein Mißverständniß aufkommen zu lassen, bitte
ich Sie, gestatten Sie mir, das dort Gesagte zu wiederholen. Man hat
uns — nicht hier sondern anderwärts — den Vorwurf kleinlicher Motive gemacht,
als wir für Baiern verschiedene Sonderbestimmungen uns ausbedungen haben.
Man hat gesagt, es sei nicht die Rücksicht für das Vaterland, nicht eine
große staatsmännische Erwägimg, sondern die kleinliche Rücksicht auf unsere
bureankratische Selbstständigkeit gewesen, die uns dabei geleitet habe. Dem
glaubte ich begegnen zu müssen. Es sind nicht solche Motive gewesen, welche
uns zu der Stipulation von verschiedenen Ausnahmsbestimmungen veranlaßt
haben, und es war gewiß berechtigt, darauf hinzuweisen, daß, wenn solche
Motive auf Seite der verhandelnden Minister vorgelegen hätten, dann
die vorbehaltene Selbstständigkeit jedenfalls ihre Ressorts hätte treffen
müssen, und nicht die der anderen Minister. Es hat sich demnach nur
um Abwehr des Vorwurfs eines Verlangens nach bureaukratischer Selbst-
ständigkeit gehandelt. Die Wendung, welche der Herr Abgeordnete Greil
der Sache in der öffentlichen Sitzung gegeben hat, hat mich fast verblüfft.
Ich gestehe, ich habe bis zu jener Stunde unter bureaukratischer Tendenz
andere Dinge verstanden als die, daß der Chef eines Bureaus seine Schreiber
kommandiren darf. Mit dieser meiner Aeußerung hat es keine andere
Bewandtniß als mit der von einer andern Seite citirten Aeußerung des
Grafen Bismarck, daß der König von Preußen in Süddeutschland ein
größeres Recht als je ein Kaiser in Deutschland ausübe. Man hat gesagt:
Es hat schon einmal einen Kaiser gegeben, welcher einen baierischen Herzog
abgesetzt hat; Bismarck sagt, der König von Preußen hat jetzt eine
größere Herrschaft in Süddeutschland als je ein Kaiser; folglich hat er auch
gesagt und sagen wollen, der König von Preußen könne den König von
Baiern absetzen. Meine Herren, genau soviel als Graf Bismarck daran
gedacht hat so etwas zu behaupten, genau so viel als er sich wirklich träumte,
es könnte von Preußen aus der König von Baiern abgesetzt werden, genau
soviel ist an dem Angriff gegen mich, daß ich selbst zugestanden hätte, die
Sclbstständigkeit des Landes sei dahin. Ich habe in der andern Kammer
von dem Consulatswesen gesprochen, der Herr Abgeordnete Greil hat meine
Acußerung von dort reproduzirt. Meine Herren, wenn das, was ich dort