824 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
Oberhäuptern der andern deutschen Staaten setzt, und haben Sie denn nicht
daran gedacht, daß man mit der ängstlichen Abwehr einer solchen ganz selbst-
verständlichen Verpflichtung Mißtrauen darüber erweckt, ob wir denn wirklich
im Falle der Noth zu unsern Pflichten stehen wollen:? Man hat uns vor-
geworfen, daß wir mit ungerechtfertigter Eile die Verträge abgeschlossen hätten,
und man hat gesagt, wir hätten nicht umbin gekonnt, dies zu wiederbolten-
malen in den Verträgen selbst zu betonen. Die betreffende Stelle ist mehr-
fach verlesen worden. „Hat's so pressirt?"“ fragt der Herr Professor Greil,
„macht man eine Verfassung wie Bagatellen?" Nein, meine Herren, wahr-
haftig nicht! Es wäre unerhört, in dieser Weise vorzugehen; aber ich meine,
die ganze Erklamation bedentet nichts, wenn Sie die Stelle, um die es sich
handelt, in Betracht ziehen. Die Verfassung ist mit genügender Muße ge-
macht worden: alle wesentlichen Theile sind nach eingehenden wochen= und
monatelangen Ueberlegungen und Besprechungen zu Stande gekommen.
Das „in Anbetracht der vorgerückten Zeit“ bezieht sich nur auf Dinge, die
man, je höher Sie die Verfassung anschlagen, mit um so mehr Recht als
Bagatellen bezeichnen darf. Es bandelt sich nur um die Wortfassung ron
ein paar Sätzen, deren Inhalt übrigens gar nicht zweifelbaft war, und um
die Bestimmung über die Aufnahme der Gesetze des Nordbundes in Baiern.
Wahrhaftig gegenüber der Gründung eines Reiches kann die Frage, ob ein
Spezialgesetz in dieser oder jener Gestalt auch auf einen neu erworbenen
Theil des Reichs ausgedehnt werden soll, mit Recht eine Bagatelle genannt
werden. — Man hat gesagt, ich bätte in der Stelle, wo ich von der groß-
deutschen Politik sprach, doch eigentlich die Erlaubniß gegeben, daß man so
bei guter Zeit noch nach Oesterreich hinschielt. Ich will mich dabei nicht
aufhalten, sondern nur erklären: ich habe mit dieser Stelle nicht im
Geringsten an die Möglichkeit einer Lossagung vom Deutschen Reich und
an die Abschließung einer Allianz mit Oesterreich ohne das Deutsche Reich
gedacht. — Bedenken wurden auch geltend gemacht wegen der Zeit, in der die
Verträge abgeschlossen worden sind: man fragt uns, warum man die Ver-
träge mitten im Kriege und auf feindlichem Boden schloß? Meine Herren,
umgekehrt möchte ich fragen, wenn wir gewartet hätten, bis der Frieden ge-
schlossen, bis alles wieder auf deutschem Boden versammelt gewesen wäre,
hätten wir dann nicht gegen unser Interesse gehandelt? Man wird die Frage
bejahen müssen. Wenn wir uns denn doch in die Lage denken, daß Preußen
sich aus weniger großen Motiven in seinem Verhalten bestimmen ließ, so
werden Sie mir doch zugeben, daß es etwas Anderes war mit Preußen in
einem Augenblicke zu unterbandeln, wo der Bund noch nicht fertig war,
sondern nach möglicher Weise verbindert werden konnte, und wo Preußen
uns auch noch dem äußeren Feinde gegenüber brauchte, als zu einer Zeit,
wo die Verträge mit den andern Staaten bereits fertig waren, wo der
Frieden geschlossen gewesen und alle Beschwerden vorerst überstanden waren,
da Preußen also nur zu warten brauchte, bis ihm die reifen Früchte in den