830 Balern. Kammer der Reichsräthe.
8. Kammer der Reichsräthe.
In der Kammer der Reichsräthe hatte die hier folgende Debatte
und Abstimmumg bereits am 30. Dezember 1870 Statt gefunden?).
v. Aeumayr als Referent'): Meinc Hohen Herren! Noch niemals,
so lange die baierische Verfassung besteht, ist ein Gegenstand von höherer
Wichtigkeit, von ernsterer Bedeutung der Berathung des Landtages
unterstellt gewesen, als dersenige, der heute auf der Tagesordnung dieses
Hohen Hauses sich befindet. Es handelt sich um eine Umgeftaltung unseres
ganzen bisherigen Verfassungslebens, um eine Aenderung der Angelpunkte
unserer dermaligen politischen Existenz, es handelt sich um die Verzicht-
leistung auf wichtige Rechte der Krone wie der Volksvertretung, um die
Uebernahme schwerer Lasten. Es handelt sich aber auch um die endliche
Lösung einer großen Frage: um die Einigung der deutschen Staaten
zu einem dauernden Verfassungsbündnisse, — der deutschen Staaten sage ich,
soweit dies überhaupt dermalen noch möglich ist, nachdem leider der Aus-
schluß von Deutsch-Oesterreich nun einmal als eine vollendete und nicht mehr
abzuwendende Thatsache feststeht. Die königliche Staatsregierung hat dem
Hohen Hause die zu Versailles abgeschlossenen Staatsverträge vorgelegt, nach
denen der bisherige Norddeutsche Bund in einen Deutschen Bund ermeitert
und der Eintritt Baierns sowie der übrigen süddeutschen Staaten in diesen
Bund herbeigeführt werden soll. Der Juhalt der Verträge ist durch die
Vorlage selbst bekannt, und die aus dieser Vorlage hergestellte und dem
Hohen Hause vertheilte Jusammenstellung, welche die Bestimmungen der
einzelnen Vertragsurkunden in tabellarischer Uebersicht neben einander reiht,
wird, wie ich hoffe, genügen, den Hohen Herren den erforderlichen Gesammt-
überblick dessen zu geben, was künftig, wenn die Verträge angenommen
werden, das für Baiern maßgebende Bundes-Verfassungsrecht bilden soll.
An der Hohen Kammer ist es nunmehr sich zu entscheiden, ob diesen Ver-
trägen die verfassungsmäßige erforderliche Zustimmung zu ertheilen sei. Der
Ausschuß, welcher mit der Vorprüfung dieser Frage von dem Hohen Hause
beauftragt wurde, ist zu dem Beschlusse gelangt, demselben die Annahme der
Verträge in unveränderter Fassung zu empfehlen. Die Gründe, welche den
Ausschuß zu diesem mit überwiegender Majorität gefaßten Beschlusse bestimmt
haben, sind in dem Referate niedergelegt, welches die Hohen Herren gedruckt
in Händen haben und welches seinem wesentlichen Juhalte nach die Billigung
des Hohen Ausschusses gefunden hat. Ich erlaube mir darauf Bezug zu
nehmen und noch Einiges erläuternd anzufügen. Vor Allem mußte sich der
" )) 18. Sitzung, Prot. Bd. II. S. 37.
½% a. a. O. Der schriftliche Vortrag, auf welchen wir nur verweisen können,
findet sich in Beilagen-Band II. S. 113