Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

846 Balern. Kammer der Reichsräthe. 
Einzelnstaaten ausgerüstet worden sei. Ich weiß wohl, man ist in Süd- 
deutschland geneigt, sich die Vorgänge beim Bundesrathe in Ausübung der 
Regierungsrechte des Bundes so zu denken, als wenn feindselige Gewalten 
zusammen in einen Saal gesperrt wären. So wie sich nach dieser Auffassung 
die Sache darstellt, ist sie dem nach, was ich gesehen habe, aber nicht, und 
wenn der Krone Preußen das Recht gegeben ist, Krieg zu erklären und 
Frieden zu schließen, und das Recht, Verträge zu schließen für den Deutschen 
Bund, so spreche ich das Vertrauen, — das sichere Vertrauen aus: daß die 
preußische Regierung dies nie thun wird, ohne sich im Einverständnisse mit 
dem größten Theile Deutschlands zu wissen. Daß aus der deutschen Föderation 
nicht der Einheitsstaat hervorgeht, dafür sehe ich die sicherste Bürgschaft im 
Charakter des deutschen Volkes, in demjenigen, was ihm an Partikularismus 
— an Partikularismus im Sinne des Herrn Referenten — als unrer- 
dußerliche Eigenschaft angeboren ist, — an jenem Partikularismus, der nicht 
etwa ein patrimonium für die Baiern allein ist, sondern an dem alle 
deutschen Stämme ihren gebührenden Antheil haben. Weil ich weiß, daß 
das Wort wahr ist: „die deutschen Stämme werden sich nicht selbst auf- 
geben,“ deshalb sprach ich das Vertrauen aus: es wird aus dem Deutschen 
Bunde nie und nimmer ein Einheitsstaat werden! Daß es nicht dahin 
kommt, meine Hohen Herren, daran wird Baiern das Beste zu thun ver- 
mögen. Man rechnet in der Beziehung auf uns, man weiß, was in dieser 
Richtung Baiern zu leisten im Stande ist und man hofft, daß ein Zusammen- 
gehen Baierns mit den übrigen Staaten den Bedenken, welchen die Bundes- 
verfassung bisher in Bezug auf Unifikation Raum gegeben hat, ein definitives 
Ende setzen wird. Wenn man endlich davon gesprochen hat, daß der Reichs- 
tag nur in verkümmerter Gestalt diejenigen Rechte habe, welche den Landes- 
vertretungen bisher zugemessen waren, so glaube ich sagen zu dürfen, daß 
man sich in dieser Beziehung irrt. Ich glaube, die nächste Zukunft wird 
lehren, daß der Reichstag keine ohnmächtige Versammlung von Volksver- 
tretern sein wird. In einem Punkte, meine Hohen Herrn, habe ich das 
Bedürfniß, dem Herrn Referenten mit vollem Herzen beizustimmen: das 
ist der Satz, den er ausgesprochen hat, daß, wenn Baiern nicht dermalen 
dem Bunde beimäte, dann in dem Moment, wo der Zollverein die nächste 
Krisis zu bestehen hat, dieser Beitritt erfolgen müßte unter dem Hohngelächter 
Deutschlands und ohne Bedingungen. Nur Eines noch, meine Hohen Herren, 
füge ich hinzu daß wir nicht in den Bund eintreten wie er ist sondern 
wie er sein wird — und ohne unser Zuthun sich gestalten wird, und ich fürchte, 
jener Bund — gefällt uns noch viel weniger als der Bund, den wir jetzt abzu- 
schließen im Begriffe sind und den wir mit den übrigen Völkern auszubilden 
die Kraft und die Gelegenheit haben werden. Gestatten Sie mir endlich, 
gegen den einzigen Redner mich zu wenden, der sich für diesen Augenblick 
endgiltig gegen die Verträge ausgesprochen hat. Meine Hohen Herren! Der 
Abschluß der Verträge ist meinen hochverehrten Collegen und mir nicht leicht
	        
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