Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

884 I. Session des deutschen Reichstages. 
Grundgesetze sind, welche unsere, der deutschen wie der polnischen Angehörigen 
der ehemals polnischen Landestheile, staatsbürgerlichen Rechte regeln, und diesen 
Gumdgesetzen gegenüber können wir keine anderen völkerrechtlichen Verträge, 
auch nicht die Wiener Kongreßakte für maßgebend erachten; für uns sind 
die gedachten Grundgesetze maßgebend, und damit ist auch die Frage, die die 
Herren heute wieder anregen, abgethan. 
v. Hennig (Grandenz-Straßburg):) Meine Herren, die Herren, welche 
den Antrag gestellt haben, verlangen ziemlich viel; sie sprechen sich sogar gar 
nicht einmal bestimmt aus, wieviel sie verlangen; denn es heißt: hinter den 
Worten „Preußen mit Lanenburg“ soll hinzugefügt werden: „mit Ansschluß 
der unter preußischer Herrschaft stehenden polnischen Landestheile“. Was 
verstehen die Herren danmter? Nach der gewöhnlichen Auffassung verstehen 
sie darunter Westpreußen und Posen; es gibt aber polnische Schriftsteller, die 
auch Oberschlesien darumter verstehen und sogar einen großen Theil des übrigeus 
Schlesiens, weil da früher einmal die Piasten geherrscht paben — das soll 
nämlich eine polnische Fürstenfamilie gewesen sein. — Nun, meine Herren, es 
ist sehr schlimm, weun man in eine Verfassung, die doch überall klare und 
bestimmte Forderungen verlangt, solche allgemeinen Redensarten hineinfügen 
will, wie das hier von den Herren beabsichtigt wird. Sie wollen angeublick- 
lich gar nicht sagen, wie viel Land sie fordern, sondern sie wollen nur ctwas 
Beliebiges hineinschreiben, um nachher so viel daraus machen zu können, wie 
es ihnen paßt. Aber, meine Herren, wie kommen die Herren dazu? Anf 
Grund der Nationalität doch wahrhaftig nicht; denn in der Provinz West- 
preußen ist der überwiegende Theil der Nationalität deutsch, in Posen ist es 
beinahe die Hälfte. Also wie kommen die Herren darauf, eine entschiedene 
Nationalität für sich in Anspruch nehmen zu wollen? Sind deun die 
Deutschen, die dort wohnen, nicht ebensoviel werth wie die Polen? Und, 
meine Herren, ich frage, wie ist er überhaupt gekommen, daß die Herren 
gewählt sind? wie sind sie hier in dieses Haus gelangt? Nicht durch die 
polnische Agitation — damit können sie Niemanden hervorlocken —, sondern 
nur dadurch, daß sie sich der klerikalen Partei angeschlossen haben; (hör! 
hörtl) mit Hülfe dieser allein sind sie in dieses Haus gelangt! Meine Herren, 
sie haben dadurch ihre eigene Schwäche und den Mangel an natie- 
nalem Sinn auf Seiten der klerikalen Partei deutlich gezeigt. 
(Bravo! Sehr richtig!) In dieser Ueberzeugung — ich will mich hier nicht 
länger in die Debatte einlassen — schließe ich und sage nim: die Herren 
haben kein Recht irgend einen Anspruch zu erheben. (Bravo!) 
Dr. Niegosewski (Posen):') Meine Herren, ich will vor Allem um
	        
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