Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Art. 1. Nigolewski. 885 
meine Stellung im Hause persönlich zu kennzeichnen, dem Abgeordneten 
Hennig, da er uns nicht als Vertreter des Volkes, sondern des katholischen 
Klerus anerkennen will, antworten. Ich bin aber gerade in Posen gewählt 
worden, also in einer Stadt, die der Abgeordnete Heunig besonders als eine 
dentsche Stadt in Auspruch nimmt, und zwar mit mehr als 2000 Stimmen 
gegen den deutschen Kandidaten. Ferner will ich ihm zum Troste bemerken, 
daß ich gerade derjenige war, gegen den die ultramontane Partei aufgetreten 
ist und gestimmt hat, und ich bin doch gewählt worden mit einer so großen 
Majorität. Also sind die desfalsigen Behauptungen abgedroeschene, abgethane 
bekannte Versuchsmittel, um gegen uns Mißtrauen zu erwecken und uns 
gleichsam jede Berechtigung zur Wahrung unserer politisch-nationalen Rechte 
zu nehmen. Andererseits ist es eigenthümlich, daß uns, wenn wir an unserer 
Religion strenge halten, dieses zum Vorwurfe gemacht wird, — und doch, 
meine Herren, haben Sie sich Alle in dem Hause bei der Adreßdebatte da- 
gegen verwahrt, daß der Religionssinn in Deutschland nicht stark wäre. Erlauben 
Sie uns also auch, an unserer Religion, an der Neligion unserer Väter festzuhalten 
und mit Wärme für ihre Berechtigung und ihre Rechte aufzutreten. Ferner hat 
Herr v. Hennig gesagt, daß wir in unserem Antrage nicht sagen, was wir 
rerlangen, wie weit sich unsere Ansprüche auf Ländergebiete erstrecken. Wir 
sangen hier ja aber gar nicht den Grenzstreit an. Dazu sind wir nicht be- 
rechtigt, einen Grenzstreit hier aufzustellen, das ist Sache der Zukunft, in 
welcher die Vorsehung auch uns dasselbe Loos und dasselbe Schicksal beschei- 
den wird, das Sie jetzt mit solchen Erfolgen, wie es geschehen ist, erreicht 
haben. Die Grenzfrage beschäftigt uns jetzt nicht. Wenn ferner der Herr 
Abgeordnete gesagt hat, daß in den ehemaligen polnischen Landestheilen 
Deutsche wohnen und deutsche Interessen gewahrt werden müssen, so stimme 
ich ihm bei und gehe vielleicht noch weiter: auch wir verlangen, daß die 
deutschen Interessen überall gewahrt werden — nicht blos unter preußischer 
Herrschaft, denn es gibt auch Provinzen unter Fremdherrschaft, wo die deut- 
schen Interessen sehr schlecht gewahrt werden, obgleich dort die deutsche Zunge 
klingt. Ich will darauf nicht zurückgehen in diesem Augenblicke. — Anderer- 
seits haben Sie ja in Lothringen und Elsaß ebenfalls Franzosen mit aufge- 
nommen, obgleich Sie sagen, daß Sie blos deutsches Land genommen haben. 
Die ursprünglichen Bewohner und nicht die eingewanderten haben also 
darnach über das Schicksal des Landes zu entscheiden. Ich wende mich nun 
zur Beantwortung der gegen unseren Antrag vorgebrachten Vorwürfe und 
Behauptungen. Es wird von dem Herrn Bundeskanzler uns das Recht zu 
selchen Anträgen überhaupt nicht zuerkannt, und zwar aus dem Gesichtspunkte, 
weil wir kein Volk wären. Nun, meine Herren, das, was Gottes 
Verk ist, wird keine menschliche Kraft vernichten können, und so 
Gott will werden wir auch zu der Durchkämpfung und Erlangung unserer 
Rechte mit Gottes Waltung gelangen müssen. Denn wahrlich, auch wir 
danken Gott, daß wir, trotzdem wir fortwährend nur Leiden zu bestehen
	        
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