888 I. Session des deutschen Reichstagcs.
souveräne Besitz Ostpreußens garantirt worden ist von der Republik Polen,
sämmtliche Einwohner sich nach der Herrschaft Polens sehnten, und Alles,
was damals das Volk repräsentirte, Kirche, Städte und Adel, machten Oppo-
sition gegen den Kurfürsten und erklärten, daß Se. Majestät der König von
Polen kein Recht gehabt habe, sich der Sonveränetät über sie zu entschlagen.
Die Stadt Königsberg offerirte dem polnischen Thronschatzmeister Rey sogar
ein Gehalt von 10,000 Thalern, damit er für ihre Wiederverbindung mit
Polen arbeite. Die lutherischen Geistlichen naunten den reformirten Glauben
des Kurfürsten ein Werk des Teufels und donnerten von allen Kanzeln für
die Wiederherstellung von Polen, und Droysen sagt, Band I., Seite 530;
„Die Pastoren der lutherischen Orthodorie waren dem Kurfürsten ebenso ab-
geneigt wie die katholische Geistlichkeit mit den Jefuiten an der Spitze; es
gab in Preußen keine brandenburgische Partei, selbst die Regierung des
Landes war eher preußisch als kurfürstlich, und alle Stände einigten sich in
der Opposition gegen die Macht und Herrschaft des Kurfürsten."“ Hieroni-
mus Roth, Bürgermeister von Königsberg, erwidert im August 1661 dem
kurfürstlichen Kommissarius: „Der König von Polen hat kein Recht, uns wie
Birnen oder Acpfel zu verschenken; hat der Kurfürst nicht genug wenn er
uns unser Gut genommen hat, will er uns unsere Freiheit nehmen — wir
lassen uns nicht rerkaufen.“ Nach den ferneren Berichten des Statthalters
an den Kurfürsten heißt es in Bezug auf die Stadt Elbing, daß die Nach-
richt, daß Polen die Uebergabe Elbings an den Kurfürsten verweigert hat,
ein wahres Volkefest gewesen. Meine Herren, ich könnte weiter gehen, aber
auch ich kenne die Grenzen, inwieweit es der Anstand erlaubt, Sie mit ge-
schichtlichen Notizen zu belästigen. Ich könnte Ihnen aus Stenzel, aus Voeigt
die Charakterisirung vorlesen, wie das Regiment der Hochmeister war, wie
das Regiment der Deutschen war in den Theilen, die von Polen abgefallen
sind, und wie sich die Bewohner in den von der Republik Polen abgefal-
lenen Ländern nach polnischer Herrschaft zurücksehnten. Damit ich mich jedoch
meiner Pflicht entledige, so rerweise ich auf die im Jahre 1867 in Berlin
bei Herrmann gedruckte Brochüre, die vom geschichtlichen Standpunkte die
Rede des Grafen Bismarck beleuchtet hat. In derselben werden Sie hin-
reichende Zusammenstellung finden, inwiefern wir das Recht haben, auf unsere
Geschichte einen stolzen Rückblick zu thun. Was nun ferner den Antrag selbst
anbetrifft, meine Herren, so muß ich anfrichtig gestehen, daß ich nicht erwartet
habe, daß ich auf die Wiener Verträge werde zurückkommen müssen. Ich
habe geglaubt, daß von uun an Deutschland andere Grundsätze den Völkern
gegenüber wird gelten lassen. Ich gebe nämlich von dem Standpmikte aus,
daß die Völker nicht gegen einander, nicht neben einander, sondern
für einander sein sollen, und, meine Herren, Deutschland gegenüber
können wir die Anerkennung beanspruchen, daß wir wenigstens nie
gegen Deutschlands Einigung und nationale Interessen aufgetreten
sind; selbst nach unserer Niederwerfung haben wir immer mit der