892 I. Session des deutschen Reichstages.
Gegner zu leiden gehabt habe, und so noch bis in die Tage, des jetzigen
französischen Krieges hin an dem Worte des Grafen Schwerin: JI.a force
prime le droit, Gewalt gebt vor Recht,“ was ich bekanntlich niemals ge-
braucht habe. Nun habe ich aus der Betonung des letzten Herrn Redners
vermuthet, daß auch er sich ein neues Schlagwort vorbereitet: „Wir sind
kein Volk.“ Ja, damit kann man viel Mißbrauch treiben; es kommt darauf
an, was man unter dem „wir“ versteht. In meinem Sinn rerstehe ich
unter dem „wir" — und damit unterschreibe ich vollständig den Satz —
die etwa 20 Herren Abgeordueten, die sich hier als Volk geriren, und zwar
als polnisches Volk. Sie, meine Herren, Sie sind wirklich kein Volk, auch
vertreten Sic kein Volk, Sie haben kein Volk hinter sich, Sie haben nichts
binter sich als Ihre Fiktionen und Ihre Illusionen), und zu denen gehört
unter anderm, daß Sie vom polnischen Volke hierher in den Reichstag gewählt
seien, um die polnische Nationalität zu vertreten. Ich weiß auch Etwas
davon, wozu Sie gewählt worden sind. Ich habe es Ihnen schon bei früberen
Gelegenheiten anseinandergesetzt und kaun Ihnen darüber auch jetzt nähere
Spezialitäten geben. Sie sind gewählt, um die Interessen der katholischen
Kirche zu vertreten, und wenn Sie das thun, sobald diese Interessen in
Frage kommen, so werden Sie ihre Schuldigkeit gegen Ihre Wähler erfüllen.
Denn dazu sind Sie ehrlich gewählt, dazu haben Sie das volle Recht. Aber
hier das polnische Volk oder die polnische Nationalität zu vertreten, dazu
haben Sie das Mandat nicht; ein solches Mandat hat Ihnen kein Mensch
gegeben, und das Volk im Großherzogthum Posen und in Westpreußen am
allerwenigsten; es hheilt nicht die Fiktionen, die Sie vertheidigen, daß die
polnische Herrschaft gut gewesen wäre — oder nicht schlecht, wic der Herr
Vorredner sich ausdrückte. Bei aller Unparteilichkeit und bei aller Neigung
gerecht zu sein, kann ich Ihnen versichern, sic war ganz herzlich schlecht, und
darum wird sie niemals wieder kommen!
v. Mallinckrodl (Ahaus-Steinfurt-Tecklenburg)"): Ich danke dem
Herrn Reichskanzler, daß er die Güte gehabt hat, eben hervorzuheben, daß die
Herren ans dem Großherzogthum die volle Berechtigung haben würden, die Inte-
ressen der katholischen Kirche zu vertreten. Damit wird sich der Vorwurf, den der
Herr Abgeordncte von Heunig erhoben hat, — über die Verbindung mit den
Klerikalen — vollständig erledigen. Ueberhaupt hört ein derartiger Vorwurf
doch allmählich auf geschmackvoll zu sein, und was den „Mangel an natio-
naler Gesinnung" der Klerikalen betrifft, so möchte ich empfehlen, lieber den
Ausdruck „nationalliberaler Gesinnung“ zu gebrauchen; dann würde er voll-
ständig zutreffend sein. (Bravo aus der Linken.) Ich brauche nicht die
Gründe auszuführen, weshalb meine Freunde so wenig wie ich in der Lage
sein werden, dem Antrage des Herrn Dr. von Zoltowski beizustimmen. In
*) St. B. S. 102 l. g. u.