Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Art. 2. Grundrechte. M. Barth. 943 
placetum regium jederzeit behauptet und wir können es uns nicht nehmen 
lassen, ohne eben der Willkür der Hierarchie zu verfallen. Die katholische 
Kirche hat bei uns große Rechte: die Bischöfe sitzen in der ersten Kammer 
des Landtags, die Geistlichen sind geachtet als öffentliche Beamte, die Kirchen- 
gemeinden als öffentliche Korporationen, die Stiftungen der Kirche als juri- 
stische Personen. Für alles das, was wir der RKirche gewährt haben, haben 
wir auch das Recht die Kirche zu kontroliren, daß sie nicht zum Schaden 
des Staates vorgehe. In Folge der unglücklichen Störungen, welche durch 
das Konzilium vom vorigen Jahre eingetreten sind, haben wir bereits Kirchen- 
gemeinden, wenn auch nur wenige, in welchen die Pfarrer sich geweigert haben, 
den Beschlüssen des Konziliums nachzukommen, und in welchen der Pfarrer, 
obwohl er a sacris von seinem Bischofe fuspendirt worden ist, im Einver- 
ständniß mit der Gemeinde fortfährt seine Funktionen auszuüben. Die 
Regierung hat sich geweigert, die betreffenden Pfarrer von den Temporalien 
zu fsuspendiren, und sagt, sie kümmere sich nicht um den Streit zwischen 
dem Bischofe und seinen Pfarrern, weil eben der Bischof, ohne das placetum 
regium zu haben, die Beschlüsse des vatikanischen Konzils in Anwendung 
habe bringen wollen. Einen weiteren Streit, der erst in der Entwickelung 
begriffen ist, der sich aber voraussichtlich nächstens schärfen wird, haben wir 
an unsern Universitäten. Zwei unserer verdientesten theologischen Professoren 
an der Universität in München, darunter der gelehrte und fromme alte Döl- 
linger, weigern sich, das Konzilium rom vorigen Jahre und seine Beschlüsse 
anzuerkennen und den desfälligen Aufforderungen des Erzbischofs nachzukom- 
men. Es wird nicht lange dauern, so wird das Verlangen an die Regierung 
gestellt werden, diesen Professoren das Recht zu lesen zu entziehen. Die 
Regierung wird auch hier ihr Recht aufrecht erhalten und aufrecht erhalten 
müssen. Wenn Sie nun aber unser gesammtes Staatskirchenrecht uns ent- 
ziehen, und uns nichts dafür geben als den nackten Satz: „Die katholische 
Kirche ist selbstständig,“ dann weiß ich wirklich nicht, wie man sich gegen 
das schützen soll, was hier vorgestern die Bischofsrevolution genannt worden 
ist. Und, meine Herren, das Reich wird auch nicht in der angenehmsten 
Lage sein, wenn es dann auf der Grundlage dieses einzigen Satzes alle die 
Streitigkeiten soll entscheiden, welche nothwendig in einem solchen Falle 
zwischen Kirche und Staat in Baiern hervortreten werden. Ich bitte Sie also 
dringend, meine Herren, lassen Sie uns bei unsern alten Gesetzen bleiben 
und lassen Sie uns den Streit mit der Hierarchie, wenn wir einen solchen 
haben müssen, selbst ausstreiten. Es ist gesagt worden, — der Herr Abge- 
ordnete für Tauberbischofsheim hat es gesagt — man solle keine Gesetze 
geben, die gegen Gottes Gesetze seien, dann werde ein Streit zwischen Staat 
und Kirche überhaupt nicht entstehen. Meine Herren, von einer andern Seite 
ist schon geltend gemacht worden: ja, wer werde denn darüber entscheiden, 
welche Gesetze gegen Gottes Gesetze seien? Nun, meine Herren, ich denke, 
Diejenigen, die den unfehlbaren Papst anerkennen, müssen auch den unfehl-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.