952 I. Session des deutschen Reichstages. 1871.
praktischer Geschäftsmänner, welche genau erwägen und wissen, was fie zu
thun haben, welche sich nicht den unklaren Allgemeinheiten überliefern, aus
welchen unsere Gegner etwas ganz Anderes schöpfen als das von uns Gewollte
und Beschlossene. Wir wollen uns hüten, einer Macht Rechte zu verleihen,
welche ihrerseits gar nicht gewillt ist, diese Herren hier als ihre Vertrauens-
männer anzuerkennen, welche auch über alle diese Herren ohne Rücksicht zur
Tagesordnung übergehen würde; denn sie müßte nach ihrer Natur diese Rechte
in dem Sinne interpretiren, in dem sie der Ultramontanismus zu allen
Zeiten interpretirt hat, und in dem wir sie ihm nicht einzuräumen gedenken.
Wir sind in diesen Tagen einen großen Schritt vorwärts gekommen. Die
partikularistische Gewalt ist in ihre Schranken zurückgewiesen, die Reichs-
gewalt und das Reichseberhaupt bedeuten vor dem ganzen deutschen Volke
die Stärke und die Macht. Das ist der höchste Segen unserer Zeit — er
birgt in sich das Gefühl, daß Deutschland ein Staat geworden ist! Lassen
Sie uns aber unter dem Jubel dieser Siegestage nicht vergessen, daß die
Niederlagen Preußens im siebenjährigen Kriege, die Tage von Collin und
Kunersdorf einst wie hohe Freuden= und Festtage am römischen Hofe gefeiert
wiurden, und daß, wenn es heute anders gekommen, diese Erscheinung nur
darin begründet ist, daß man nun die Früchte erntet von dem Heldenmuth,
der Energie und der staatsmännischen Größe, in welcher damals Prcußen —
im Gegensatze zu mancher sräteren Epoche — gelenkt worden ist. Meine
Herren, ein geistvoller Parteigänger welfisch-ultramontaner Richtung, Herr
Onno Klopp, hat gesagt, Graf Bismarck habe die Politik Friedrichs des
Großen wieder herausgegraben. Das wollen wir ihm glauben und wir
wollen diesen Glauben dadurch bewähren, daß wir nie mehr zurückkehren in
die Tage der Zeit, in der Deutschland sich vor dem Ultramontanismus fürchten
und die innere Politik mit ihm theilen mußte! Lassen Sie uns im Geiste
der neuen Zeit unsere Aufgabe erfüllen, dann allein werden wir würdig sein,
die Erben Derer zu heißen, welche in den Tagen der Schlachten und Ent-
scheidungen gegen den auswärtigen Feind das Größte geleistet haben, dann
werden wir die Wohlthaten eines mächtigen und freien Staatswesens in die
Zukunft überliefern, wofür unsere Krieger und mit ihnen das ganze deutsche
Volk so gewaltige Opfer gebracht haben! (Lebhaftes Bravo.)
v. Mallinchrodt’): Meine Herren, gegen die Herren aus Baden ist
sehr schwer aufzukommen. Die haben nicht nur aus großen Geschützen auf
uns gefeuert, sondern das war ein förmliches Mitrailleusenfeuer, (Heiterkeit)
es hat auch ungefähr so geknarrt; indessen unter den vielen Kugeln, die ver-
schossen sind, waren wenig oder gar keine Treffer. Ich beschränke mich jenen
Ausführungen gegenüber auf wenige Bemerkungen. Der Herr Vorredner
behauptet, der Grundsatz der Parität sei seitens unseres kirchlichen Ober-
) St. B. S. 127 l. o.