964 I. Sesston des dentschen Reichstages. 1871.
Formen, der entschiedenste Kampf gegen uns und gegen die deutsche Ent-
wicklung: nirgendwo Hilfe und Beistand! Ja, meine Herren, diejenigen
unter Ihnen, welche aus Baiern hierher gekommen sind — und ich wende
mich vorzugsweise an den Herrn Abgeordneten Greil, — der wird mir zugeben,
daß die Partei, mit der er und seine Anschauungen mindestens sehr nahe
verwandt sind, wenigstens noch in den letzten Tagen vor dem Ausbruch des
deutschen Krieges den Verrath an Deutschland offen gepredigt hat. (Große
Unruhe. Hört! Hört!) Meine Herren, vor mir liegt hier eine Sammlung
von baierischen Organen der katholischen Kirche, der „Volksbote“, das
„Vaterland“, die „Postzeitung", und die „Süddeutsche Presse“. Die Num-
mern, die ich hier habe, datiren vom 11. und 12. Juli, von einer Zeit, wo
der Kampf schon an unsere Thüren klopfte, wo Jeder wußte, es gelte für
ganz Deutschland sich zusammen zu schaaren, um uns gegen diesen so frivolen
Ueberfall des Imperialismus und des Franzosenthums zu schützen. Nun,
was sagen denn damals diese Blätter einstimmig? „Wir gehen nicht mit
Preußen; wenn wir gezwungen werden durch unsere eigene Narrheit, mit
den Preußen zu geben, so wird es nur sein bis zur ersten Niederlage, dann
wenden wir uns um und schlagen mit den Franzosen auf die Preußen; dann
wird endlich die Zeit kommen, wo der gottverfluchte Staat der Hohenzollern
zu Grunde gcht."“ (Hört, hört!) Meine Herren, damit ich nicht zu viel
behaupte, gestatten Sie mir, eine Stelle aus dem mir vorliegenden „Vater-
laud“ vorzulesen; ich werde nachher im Hause das Konvolut cirkuliren lassen,
damit die Herren Gelegenheit haben, auch die anderen Blätter anzusehen.
Es heißt da also in der Nummer vom 12. Juli: „Sei es drum! Mag der
entscheidende Steeit, der schon so oft aufgeschoben worden, endlich ausge-
fochten werden; anders kommen wir zu keinem wahren Frieden. Auf
wessen Seite aber wir uns stelle? Ei jal Natürlich auf die Seite der
Verspielenden. Preußen muß endlich seine wohlverdienten Prügel haben:
das Blut der Opfer von 1866, das zertretene Recht, die beleidigte
Gerechtigkeit, das empörte Europa will es; da gehen wir natürlich
mit den „deutschen Brüdern“ im Norden, wenigstens bis zur ersten ver-
lorenen Schlacht. Dann kommen wir vermuthlich zu Verstand und dann
schlagen wir mit den Andern auf die Preußen, je kräftiger, desto be sser.
In uropa wird sichs nur wieder leben lassen, wenn der preußische Raub-
staat gedemüthigt und für den Frieden Europas unschädlich gemacht sein
wird."“ (Große Unruhe; hört, hört! Pfui, pfui!) Meine Herren, wenn wir
in Norddeutschland diesen Dingen gegenüber, die wir im Süden erlebt haben,
eine deutschgesinnte katholische Partei sähen, wenn wir von dieser Seite die
kräftigste Unterstützung unserer Angelegenheiten und die entschiedenste Ver-
werfung jener Grundsätze ihrer Parteigenossen im Süden gesehen hätten,
dann allerdings würde ich dies hier nicht erwähnen; aber ich habe das Ver-
fahren dieser Partei seit Jahren genau beobachtet, ich erinnere mich aber
auch nicht eines einzigen solchen Zeugnisses der klerikalen Partei aus dem
Norden, welches diese Dinge verwürfe und verdammte. (Hört!) Meine