Art. 2. Grundrechte. Probfi. 973
des Papstes gesprochen; ich will Ihnen darüber meine Ansicht ganz offen
mittheilen und ich bitte Sie, uns auf dieser Seite des Hauses zuzugestehen,
daß wir mit vollster Offenheit über alle diese Fragen sprechen. Was die
weltliche Herrschaft des Papstes betrifft, so halte ich sie auch für eine poli-
tische Nothwenigkeit, aber für eine Wesentlichkeit der katholischen Kirche halte
ich sie nicht. Ich stehe wenn ich so sagen darf auf dem Standpunkt Dante's:
das Innere dieser Kirche, das Wesen dicser Kirche muß bestehen bleiben,
aber die weltliche Herrschaft an sich gehört nicht zu diesen Wesenheiten. Da-
gegen, meine Herren, bitte ich Sie zu bedenken, ob denn das ein blos katho-
lisches Interesse ist, daß die Millionen von Katholiken möglicherweise unter
einem Papst stehen, der einem anderen Landesherrn untergeben ist; ist das
wohl ein blos katholisches Interesse, wenn diese zwei Fünftheile der Bewohner
Deutschlands einem Papste untergeben sind, der dem König von Italien als
Unterthan unterworfen ist? Sie sagen ja immer, daß die Katholiken selbst
rom Papste beeinflußt werden; und wenn nun ein solcher Einfluß geübt ist,
und der Papst steht unter einer andern Herrschaft, glauben Sie, daß das im
Interesse des Friedens dieses Reiches sein könnte? Meine Herren, es ist hier
ein Abgeordneter aufgetreten, es hat mich gemahnt wie aus alten ver-
schollenen Zeiten — der das Placet des Königs einmal wieder zu Ehren ge-
bracht wissen wollte. Ich habe geglaubt, daß man darüber längst hinweg-
gekommen sei, Herr Barth aber hat Ihnen gesagt, daß man ohne das Placet
des Königs nicht wohl regieren köonne. Das Placet aber war das GErtste,
was man in den Bewegungsjahren beseitigte, was kein Mensch mehr in An-
srruch nehmen wollte, alle Welt war einverstanden, daß man für die Ver-
fügungen, welche von Seiten der Kirchenobrigkeit ergangen, nicht mehr die
Genehmigung von Seiten des Königs als Staatsoberhaupt nachzusuchen habe.
Hier wird es nun wieder als etwas Nothwendiges dargestellt! Ich bemerke
dazu nun, daß das Placet in Baiern nicht in dem Konkordat steht, wie ge-
sagt worden ist, sondern in dem bekannten Religionsedikt, das gleichzeitig mit
dem Konkordat einseitig von der Staatsgewalt ausging. Meine Herren, dem
Abgeordneten Kiefer bestreite ich ganz gewiß nicht, daß er mit voller Ueber-
zeugung in dieser Sache Partei genommen hat, aber ich bitte Sie sich daran
zu erinnern, — und ich denke, sein ganzes Auftreten hat Ihnen die Gewiß-
heit gegeben — daß er mitten aus dem Streite von Baden als Parteimann
hierher gekommen ist, mitten aus allen Aufregungen dieses Streites seine
Ueberzeugung geschöpft und uns dargelegt hat; und wenn das ist, — ich
anerkenne, daß er das thun konnte, und anerkenne überhaupt jede Ueberzeu-
gung, — aber geben Sie mir die Erlaubniß, in die Objektivität seiner An-
schauungen Zweifel zu setzen. Meine Herren, derselbe Redner hat uns von
dem Zeitalter Friedrichs des Großen und von der durch ihn begründeten Aera-
gesprochen. Ich habe nur Eines vermißt, daß er dem Satz keine Gerechtig-
keit widerfahren ließ, der auch von Friedrich dem Großen herrührt: daß Jeder
nach seiner Facon solle selig werden dürfen! Meine Herren, Herr von