1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 101
Nordwestdeutschland Meiergüter, in Hessen Landsiedelgüter. Beide Besitzarten sind nachmals
zur Erblichkeit durchgedrungen.
Anders als auf dem flachen Lande entwickelten sich die Besitzverhältnisse innerhalb der
Stadtmauern. Hier vollzog sich der Übergang von der ausschließlichen Naturalwirtschaft zur
Geldwirtschaft. Im 13. Jahrhundert führte die Entwicklung des Handelsverkehrs ein geradezu
rapides Wachstum der Städte und ihres Wohlstandes herbei. Die steigende wirtschaftliche
Bedeutung, welche die Fahrhabe erlangte, wirkte auf die Grundbesitzverhältnisse in den Städten
zurück. Den etwa vorhandenen, zu hofrechtlicher Leihe oder zu landrechtlicher Erbleihe be-
sessenen Grund und Boden überragte innerhalb des Stadtbezirks der eigentliche städtische Grund-
besitz, den man als freies Eigen besaß, oder den ein Grundherr zu städtischer Leihe nach Burg-
recht oder Weichbild erblich verliehen hatte. Städtischer Leihe= und Eigenbesitz stand unter
städtischer Gerichtsbarkeit und wurde die Grundlage des Bürgerrechts. Während auf dem
flachen Lande der bäuerliche Grundbesitz in steigendem Maße belastet wurde, hat sich in den
Städten der Leihebesitz allmählich entlastet, indem die gegen Zinspflicht verliehene Baufläche
in das Eigentum des Beliehenen überging und das ursprüngliche Eigentum des Verleihers sich
in ein Rentenrecht umsetzte, das schließlich der Ablösung anheimfiel.
§ 25. Das Ständewesen. Das Ständewesen erfuhr im Anschluß an die Entwicklung
der fränkischen Zeit eine allmähliche, aber tiefgreifende Umbildung, indem gewisse Berufs-
klassen zunächst zu einer gesellschaftlichen Sonderstellung gelangten und dann zu Berufsständen
wurden, die schließlich zur Entstehung von Geburtsständen führten. Dabei wurde innerhalb
der einzelnen Berufsklassen der Gegensatz von Freiheit und Unfreiheit dergestalt überwunden,
daß unfreie Personen auf Grund des Berufs in die Freiheit aufstiegen, freie in Hörigkeit herab-
sanken.
Unter den Freien gestaltete sich die ständische Gliederung verschieden nach Landrecht und
nach Lehnrecht. Landrechtlich bildeten den höchsten Stand die Fürsten, ein aus der fränkischen
Amtsaristokratie hervorgegangener Amtsadel. Als Fürsten galten vor 1180 alle Inhaber ge-
wisser höherer Amter, nämlich Erzbischöfe, Bischöfe und Reichsäbte, der Reichskanzler, Herzoge,
Markgrafen und Grafen, mochten sie nun ihre Amter und Lehen unmittelbar vom König oder
von einem anderen Fürsten haben. Gleichzeitig mit der Zertrümmerung des Stammes-
herzogtums, wie sie sich durch den Sturz Heinrichs des Löwen vollendete, trat hierin eine Ande-
rung ein, die den Begriff des Fürstentums nach lehnrechtlichen Gesichtspunkten einschränkte.
Seit 1180 entstand nämlich der jüngere Reichsfürstenstand, der die Reichsunmittelbarkeit voraus-
setzte. Von den weltlichen Herren wurden nur noch jene als Fürsten angesehen, die mindestens
eine Grafschaft unmittelbar vom König zu Lehen trugen und keines anderen weltlichen Reichs-
fürsten Lehnsmannen waren. Auf die Fürsten folgten nach der Lehre des Sachsenspiegels die
freien Herren, Besitzer von allodialen oder lehnrührigen Grundherrschaften mit mehr oder minder
ausgedehnter Gerichtsherrlichkeit. Als einen unter den freien Herren stehenden Stand nennt
der Sachsenspiegel die Schöffenbarfreien, scepenbare luce. Zu ihnen zählen die Grundbesitzer
von mindestens drei Hufen Landes, die einem altfreien Geschlechte angehören, sich gewisse
Reste der agnatischen Sippenverfassung bewahrt haben und zum Reiterdienste und zum Schöffen-
amt im Grafschaftsgerichte fähig sind, und zwar auch dann, wenn sie mit Vorbehalt ihrer Schöffen-
barkeit in die Ministerialität eingetreten waren, ferner solche Reichsministerialen, die nach er-
folgter Freilassung ein Schöffenamt und den erforderlichen Grundbesitz erhalten hatten. Den
vierten landrechtlichen Stand bilden nach Sachsenrecht die Pfleghaften oder Biergelden (bar-
gilden), freie bäuerliche Grundbesitzer, welche, weil sie den zum Reiterdienst gewordenen Heer-
dienst nicht zu leisten vermochten, mit einer ständigen Abgabe belastet waren; den fünften die
Landsassen, die kein Eigen hatten, fremden Grund und Boden bebauten, ohne an die Scholle
gebunden zu sein und ohne einer anderen als der öffentlichen Gerichtsbarkeit zu unterstehen.
In Süddeutschland kannte man unterhalb des Standes der Fürsten gegen Ende des
13. Jahrhunderts nur freie Ritter und freie Bauern. Jene zerfielen wieder in hochfreie und
in mittelfreie Ritter.
Einen besonderen Stand bildeten die Ministerialen, Dienstmannen. Ursprünglich Eigen-
leute, die der Herr mit einem Verwaltungsamte betraute, wurden sie seit der Ausbildung des