Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 119 
Trier verbunden wurde. Die Erzkanzler fungierten als solche nur bei wichtigen und bei besonders 
feierlichen Anlässen. Die eigentlichen Kanzleigeschäfte leitete der vom König ernannte Hof- 
kanzler. Unter den Hofkanzlern standen die Protonotare, denen eine Anzahl von Notaren und 
Schreibern unterstellt war. Die pfalzgräfliche Kanzlei, wie sie in karolingischer Zeit entstanden 
war, fiel mit dem Hofamte des Pfalzgrafen hinweg. Dagegen erhielt der 1235 geschaffene 
oberste Hofrichter eine besondere Gerichtskanzlei. 
Die Funktionen der vier alten Hofbeamten, des Truchseß, des Marschalls, des Kämmerers 
und des Schenken, wurden bei besonders feierlichen Gelegenheiten, so bei der Krönung, von 
den Inhabern der Erzämter versehen. Den täglichen Dienst am Hof leisteten Reichsministerialen. 
Zu den vier alten Hofämtern trat unter Philipp das des Küchenmeisters hinzu. Im Laufe 
der Zeit sind diese Hofämter Erbämter bestimmter Familien geworden. 
Die neuen Amter, die seit dem 13. Jahrhundert am Hofe des Königs entstanden, wurden 
der Territorialverwaltung entlehnt, ein deutliches Zeichen, daß das Reich als solches aufgehört 
hatte, die treibende Kraft für die Fortbildung des Amterwesens zu sein. Dahin gehören das 
dem Königreich Neapel und Sizilien entlehnte Amt des obersten Hofrichters und das an ober- 
deutschen Fürstenhöfen vorgebildete Amt des Hofmeisters, das seit Anfang des 14. Jahrhunderts 
auch am Königshofe erscheint. Ursprünglich ein rein wirtschaftlicher Beamter, erlangte der 
Hofmeister (magister curiae) neben der obersten Leitung des Hofhalts wesentlichen Anteil an 
den Regierungsgeschäften. Unter Ruprecht wurde das Amt nach territorialem Vorbilde ge- 
spalten, indem die wirtschaftlichen Aufgaben einem Haushofmeister, die Regierungsgeschäfte 
einem Obersthofmeister zugewiesen wurden. Dieser erhielt zugleich die erste Stelle im könig- 
lichen Hofrat, der aus einer Anzahl berufsmäßiger und ständiger Ratgeber und Vertrauens- 
männer des Königs bestand. 
Aus Italien stammt das Amt eines Hofpfalzgrafen, das in Deutschland seit Karl IV. vom 
König verliehen wird und zur Ernennung von Notaren, zur Legitimation unehelicher Kinder 
und zu anderen Akten freiwilliger Gerichtsbarkeit ermächtigt. 
Wie in fränkischer Zeit pflegte der König wichtigere Reichsangelegenheiten mit den geist- 
lichen und weltlichen Großen des Reichs auf Hof= oder Reichstagen zu beraten. Reichstag 
nennen wir einen Hoftag von allgemeinerer Bedeutung. Bischöfe, Reichsäbte und Lehns- 
mannen des Königs waren verpflichtet, auf den Hoftagen zu erscheinen und so lange zu ver- 
weilen, bis der König sie entließ. Die Berufung eines Hoftages und die Auswahl der Ge- 
ladenen lag im Belieben des Königs. Eine Pflicht, die Großen um ihren Rat zu fragen oder 
ihn zu befolgen, bestand für den König anfänglich nicht. Allein seit dem 12. Jahrhundert wurde 
aus dem Beirat der Großen allmählich ein Recht der Beschlußfassung, aus der ursprünglichen 
Verwaltungsmaßregel ein Grundsatz der Reichsverfassung, aus der Pflicht der Hoffahrt ein 
Recht der Reichsstandschaft, d. h. das Recht, an den Verhandlungen der Reichstage mit Sitz 
und Stimme teilzunehmen. Dieses Recht erlangten die Kurfürsten, die Fürsten und Herren, 
aber nicht die Reichsministerialen, die namentlich in staufischer Zeit auf den Reichstagen er- 
schienen waren. Seit Wilhelm von Holland sind auch Städte auf den Reichstagen vertreten, 
aber als minderberechtigte Teilnehmer, indem sie nur bei gewissen Anlässen, wie bei Land- 
friedensaufrichtungen, zugezogen werden, dagegen in Sachen, die sie nicht unmittelbar angehen, 
kein Votum haben. Auch diese beschränkte Reichsstandschaft erwarben nur die Reichsstädte 
und die bischöflichen Städte. Kraft alten Herkommens konnten Reichstage nur in Reichsstädten 
und in bischöflichen Städten stattfinden. Die Beschlußfassung erfolgte in der Form der gericht- 
lichen Urteilfindung. Seit dem 14. Jahrhundert findet sich, daß die Kurfürsten, die Fürsten 
und Herren und die Städte sich in gesonderter Beratung schlüssig machen. 
§ 38. Das Amterwesen in den einzelnen Teilen des Reiches. Nach Auflösung der 
fränkischen Monarchie blieb in Deutschland das fränkische Amterwesen bestehen, soweit es in 
den einzelnen Stammesgebieten durchgedrungen war. Nach wie vor waltete als ordentlicher 
Richter in den Grafschaften der Grafs, in seiner richterlichen Tätigkeit auch Landrichter, juder 
provincialis, genannt. Der Unterbezirk der Grafschaft, die Hundertschaft oder Zent, in Sachsen 
Go, stand unter dem centenarius, zentensere, zentgräve, in Sachsen unter dem gögreve. Voll- 
zugsorgan des Grafen war der gräfliche Schultheiß, Schulze. Doch ist dieser, indem sein Amt
	        
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