1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 135
nicht wie bei den Franken mit Mund und Halm (kestuca), sondern mit Mund und Hand statt.
Mit der gerichtlichen Auflassung ist ein Aufgebotsverfahren verbunden, durch welches Dritte
aufgefordert werden, etwaige Einsprüche geltend zu machen. Sind solche nicht sofort erfolget,
so schließt das Verfahren damit ab, daß der Richter dem Erwerber des Gutes für dieses den
Frieden wirkt durch einen Friedensbann, der uns in solcher Anwendung für Deutschland bereits
aus dem 11. Jahrhundert bezeugt ist. Die gerichtliche Auflassung hatte vim rei judicatae. Der
Erwerber kam dadurch in ein ähnliches Verhältnis, als hätte er das Gut im Wege Rechtens von
dem früheren Besitzer erstritten. Die gerichtliche Auflassung erforderte das echte Ding. In
den Städten hat sie hier und da den Charakter eines gerichtlichen Aktes völlig abgestreift, indem
sie den Stadtschöffen — nicht ohne deren lebhaften Widerstand — entzogen und auf den Stadtrat
übertragen wurde. Die Auflassung konnte als gerichtlicher Akt durch eine gerichtliche notitia
beurkundet werden. Schon früh wurde es in den Städten Sitte, die Beurkundungen der Auf-
lassung in besondere öffentliche Bücher von Amts wegen einzutragen. Die Eintragung sollte
zunächst nur den Auflassungsakt beurkunden, ist aber dann wesentliches Erfordernis der über-
eignung geworden. Von den Städten verbreitete sich die Einrichtung der öffentlichen Bücher
auf das flache Land. Sie hat sich in dem Grundbuchsystem unseres heutigen Rechtes erhalten
und fortgebildet.
Wer eine Liegenschaft auf Grund gerichtlicher Auflassung und richterlichen Friedens-
bannes durch Jahr und Tag ohne rechte Widersprache besaß, hatte daran die rechte Ge-
were erworben. Die Wurzeln der rechten Gewere reichen in die fränkische Zeit zurück und
sind an die missio in bannum regis anzuknüpfen, die wir bei Darstellung der fränkischen Zwangs-
vollstreckung in Liegenschaften kennen gelernt haben. Wie diese die volle Jahresfrist offen ließ,
um das Gut aus dem Banne des Königs zu ziehen, so hatte der dem aufgelassenen Gute gewirkte
Friedensbann die rechtliche Wirkung, Anfechtungsrechte Dritter nach Jahr und Tag auszuschließen.
Gemäß fränkischem Rechte brauchte der Besitzer nach Ablauf dieser Zeit im Rechtsstreite um
das Gut gegen den Kläger nur das Vorhandensein der rechten Gewere zu beweisen und konnte
daraufhin jede Antwort ablehnen. Die rechte Gewere wirkte hier als Erwerb des Eigentums
auf Grund der Verschweigung, d. h. auf Grund der Tatsache, daß alle, welche Rechte an dem
Gute hätten geltend machen können, sich daran verschwiegen hatten. Schwächere Wirkung
hatte die rechte Gewere nach den sächsischen Rechtsbüchern. Wer sie besaß, brauchte sich erst
im nächsten echten Ding auf die Klage einzulassen, bedurfte nicht der Vertretung durch seinen
Gewährsmann, mußte aber nicht bloß die rechte Gewere beweisen, sondern auch sein Recht an
dem Gute durch seinen Eid erhärten.
Neben der übereignung, durch die der Veräußerer jedes Recht an der Sache auf die Dauer
aufgab, kannte das deutsche Recht Ubereignungen, durch die der Erwerber nur ein zeitlich be-
schränktes und unveräußerliches Recht erwarb, wogegen dem Veräußerer unter gewissen Voraus-
setzungen der Wiederanfall gewahrt blieb. Maßgebend war der kundgegebene Wille des Ver-
äußerers und die Form der Ubereignung, der die der Auflassung eigentümliche Verzichtserklärung
fehlte. Beschränktes Eigentum begründete nach älterem Rechte insbesondere die Landschenkung.
Denn die Schenkung des germanischen Rechtes war Zweckschenkung. Und als der Zweck der
Schenkung galt es im Zweifel, daß der Beschenkte die Sache habe, nicht ein beliebiger Dritter.
Daher die Unveräußerlichkeit des Schenkgutes und das Wiederanfallsrecht (droit de retour)
des Schenkers. Uber die fränkische Zeit hinaus hat sich im Kreise der westgermanischen Rechte
ein Wiederanfallsrecht des Schenkers nur bei gewissen Gaben erhalten, so bei der Elterngabe
(Schenkungen von Aszendenten an eheliche Deszendenten), bei der Hornungsgabe (an Uneheliche)
und bei gewissen Heiratsgaben. In bestimmten Fällen erfuhr das Recht des Gebers eine
Steigerung. Sein Wiederanfallsrecht wurde als Eigentum, das Recht des Beschenkten nur
noch als Nutzungsrecht an fremder Sache aufgefaßt. Diese Auffassung hat sich unter dem Ein-
fluß der kirchlichen Prekarien schon in der fränkischen Zeit bei dem benefücium, sehr viel später
bei der Leibzucht des ehelichen Güterrechtes durchgesetzt. Die umgekehrte Entwicklung zeigt
sich bei der Elterngabe, bei der das Wiederanfallsrecht des Gebers zu einem Intestaterbrechte
einschrumpfte.
Unter den Leiheverhältnissen sind nach dem Rechtsgebiete der Verleihung Leihe zu Lehn-
recht, zu Dienstrecht, zu Hofrecht, landrechtliche und stadtrechtliche Leihe zu unterscheiden.