140 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
für seine Gesundheit in strenger Haft halten durfte. An Stelle der Privathaft trat nachmals,
zuerst in den Städten, die Verwahrung des Schuldners im öffentlichen Schuldgefängnis, die
eigentliche Schuldhaft. Manche Rechte verfolgten eine andere Entwicklung; sie bildeten, wie
z. B. schon das langobardische Recht, die Hingabe des Schuldners in die Gewalt des Gläubigers
zur exekutiven Verknechtung aus. Dem fränkischen Recht ist sie unbekannt geblieben. Dieses
kannte nur eine freiwillige Begebung des Schuldners in die Knechtschaft des Gläubigers. Die
Verknechtung (freiwillige und exekutive) war nach ältestem Rechte eine endgültige; der Gläubiger
mochte den Schuldner wie jeden anderen Knecht verkaufen. Nicht ohne Einwirkung der Kirche
erlangte die Verknechtung um Schuld den Charakter der Satzung, so daß der Schuldner nur
noch loco wadii stand. Diese Schuldknechtschaft ist wieder entweder eine härtere oder eine mildere.
Jene, die ältere, ist ein Seitenstück der Zinssatzung; der Schuldner dient nämlich als Schuld-
knecht, bis er durch Zahlung der Schuldsumme ausgelöst wird, so daß also dem Gläubiger das
Erträgnis der Arbeit zugute kommt. Die jüngere Schuldknechtschaft stellt sich als Analogon
der Totsatzung dar; denn sie dauert nur so lange, bis der Schuldner durch seine Arbeit die Schuld
(mit Einschluß der Unterhaltungskosten) abverdient hat. — In den Städten wurde gegen säumige,
insbesondere gegen böswillige Schuldner auch die Stadtverweisung verhängt.
Die vom Schuldner oder vom Bürgen vertragsmäßig übernommene Haftung konnte
sich im einzelnen Falle verschieden gestalten. Es stand in seiner Wahl, sich für den Fall des
Vertragsbruchs beliebigen Rechtsnachteilen auszusetzen. Er mochte erklären, daß er friedlos,
daß er exkommuniziert sein wolle, daß sein Leben, daß bestimmte Gliedmaßen dem Gläubiger
verfallen sein sollen. Er setzte für die Erfüllung der Verbindlichkeit seine Treue und seine Ehre
ein, die Ehre mitunter so, daß er dem Gläubiger die Befugnis gab, ihn im Falle des Verzugs
durch Wort und Bild (Schandgemälde) in seiner Ehre anzugreifen. Sehr häufig kam es vor,
daß der Schuldner versprach, für den Fall der Nichtbefriedigung des Gläubigers das Einlager
zu leisten, d. h. sich freiwillig einer Beschränkung seiner persönlichen Freiheit zu unterziehen,
welche insgemein in der Form erfolgte, daß er mit Begleitung in cine Herberge einritt, um
dort so lange zu verbleiben, bis die Schuld bezahlt war oder der Gläubiger ihn seines Versprechens
löste. Namentlich vornehme, mächtige Herren, gegen die eine gerichtliche Eintreibung der Schuld
nicht leicht durchzuführen war, mußten sich zum Versprechen des Einlagers herbeilassen. Da
es Sitte wurde, während der Geiselschaft großen Aufwand zu machen, trat schließlich der ur-
sprüngliche Gesichtspunkt der konventionellen Schuldhaft so sehr zurück, daß mitunter der Schuldner
sich bei der Leistung des Einlagers auf seine Kosten einen Stellvertreter setzen konnte. Die
üblichen Kosten des Einlagers sollten auf den Schuldner und dessen Sippe einen Druck aus-
üben, die Schuld zu bezahlen.
Beschränkt war die Haftung der Erben für Schulden des Erblassers. Sie fand ihre Grenze
in dem Betrage des übernommenen Nachlasses. Wo der Erblasser in der Verfügung über den
Grundbesitz durch das Beispruchsrecht der Erben gebunden war, hafteten diese keinesfalls über
den Betrag der nachgelassenen Fahrhabe hinaus; nach dem Rechte des Sachsenspiegels hafteten
sie nur für Schulden des Erblassers, deren Gegenwert sich in dem von ihnen erworbenen Teile
des Nachlasses befand.
Um dieser beschränkten Haftung des Erben willen kam in Deutschland ein vielfach an-
gewendetes Geldgeschäft, der Rentenkauf, in Übung, der zugleich das durch die Kirche verbotene
zinsbare Darlehen wirtschaftlich ersetzte. Der Rentenkäufer erwarb durch Hingabe einer Geld-
summe das Recht, aus einem Grundstücke eine wiederkehrende Rente zu beziehen, die dessen
jeweiliger Besitzer zu zahlen hatte. Das Rentenrecht wurde durch Auflassung begründet und
ruhte auf dem Gute des Rentenverkäufers als eine Reallast, welche unkündbar und ursprünglich
auch unablösbar war. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung hat sich vielfach ein Übergang
der Rente in das zinsbare Darlehen vollzogen, indem die sachenrechtlichen Merkmale des Rechts-
verhältnisses abgestreift wurden, während anderwärts aus der Reallast ein von dem Schuld-
grunde mehr oder minder unabhängiges Pfandrecht, eine Grundschuld erwuchs.
§ 51. Das Pfand. Das deutsche Recht unterscheidet gesetztes und genommenes Pfand.
Eine Sache konnte für eine Schuld als Pfand (goth. vadi, ahd. weti, mlat. waldium) ge-
setzt werden, so daß nur die Sache haftete, ohne daß daneben eine persönliche Haftung des