Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

142 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
Das Wort Pfand (nd. pand, pant) bedeutete ursprünglich nicht das gesetzte, sondern das 
genommene Pfand. Die Pfandnahme war entweder Privatpfändung oder obrigkeitliche 
Pfändung. Das Recht der Pfandnahme (Schüttung) hatte der Grundbesitzer an fremdem 
Vieh, das auf seinem Grund und Boden Schaden anrichtete. Nach ältestem Rechte verfiel das 
Tier der Rache des Beschädigten, er durfte es töten. Doch hat sich die Tötungsbefugnis nur 
bei gewissen Tieren (Gänsen, Enten, Hühnern) erhalten; andere durfte der Beschädigte schon 
in fränkischer Zeit nicht mehr töten, sondern nur noch in Haft nehmen und einschließen (schütten). 
Löste der Eigentümer die Tiere nicht ein, so konnte der Beschädigte an ihnen Vergeltung üben. 
Nach jüngerem Rechte haftete das geschüttete Vieh regelmäßig nach Art eines Pfandes, aus 
dem der Beschädigte seine Befriedigung suchen durfte. Pfandnahme war ferner zulässig gegen 
die Person, die auf fremdem Besitztum Schaden anrichtete oder sich daran tatsächlich eine Eigen- 
tumsbefugnis anmaßte. Das Recht der Pfändung hatten der Leiheherr und der Vermieter wegen 
versessenen Zinses, der Rentenherr wegen versessener Rente. In Notfällen, nämlich bei Rechts- 
verweigerung und bei Gefahr im Verzug, war die Pfändung jedem Gläubiger gestattet. 
Um gewettete Schuld konnte nach älterem Rechte der Schuldner bzw. der Bürge außer- 
gerichtlich gepfändet werden. Doch wurde die Ausübung des Pfändungsrechtes schon in der 
Mehrzahl der Volksrechte an gerichtliche Ermächtigung und an die Beobachtung gewisser Formen 
gebunden. Wegen der Gefahr der Störung des Friedens haben die Landfriedensgesetze die 
Privatpfändung um Schuld verboten. Eine Ausnahme bildete nur noch der Fall der Pfändungs- 
klausel, die im jüngeren Mittelalter aufkam, d. h. der Fall, daß der Gläubiger sich in der Schuld- 
urkunde vom Schuldner die Befugnis der außergerichtlichen Pfändung verschreiben ließ. 
IV. Das Familienrecht. 
8 62. Die Ehe. Die Familienrechtsverhältnisse sind auf das Mundium des Familien- 
hauptes gebaut. Mundium, Vormundschaft, bezeichnet aber im allgemeinen ein Schutz= und 
Vertretungsverhältnis, ein Begriff, der über das Gebiet des Familienrechtes hinausragt, da 
unter ihn außerdem noch fallen das Verhältnis des Schutzherrn zum Mundmann, zum Hörigen, 
die Vogtei über Fremde, über Kirchen und die prozessualische Vertretung mündiger Personen, 
soweit sie ausnahmsweise gestattet war. Der Vormund vertritt den Mündel vor Gericht, haftet 
für dessen Vergehen und empfängt für ihn Buße und Wergeld. Der Begriff des Mundiums 
ist im Laufe der Zeit eingeschränkt worden, indem einzelne Vertretungsverhältnisse den privat- 
rechtlichen Charakter völlig abstreiften, andere den einer beliebig widerruflichen Willenssubstitution 
annahmen. Andererseits traten die cinzelnen Anwendungsfälle des Mundiums als selbständige 
Privatrechtsinstitute auseinander, indem die innere Seite des Verhältnisses, nämlich die Stellung 
zwischen Vormund und Mündel, sich verschiedenartig gestaltete und das Vertretungsverhältnis 
auch nach außen hin differenzierte. So schieden sich die Fälle der Familienvormundschaft in 
die der ehelichen Vormundschaft, der väterlichen, der subsidiären Alters- und Geschlechtsvormund- 
schaft und der Vormundschaft wegen geistiger und wegen körperlicher Gebrechen. 
Die Voraussetzungen der Eheschließung wurden durch das Volksrecht bestimmt. 
Im ältesten germanischen Rechte hatte der Frauenraub ebenso wie einst bei den Indern und 
Römern ehebegründende Kraft. Als die rechtlich allein zulässige Form der Eheschließung er- 
scheint in den ältesten Rechtsquellen der Frauenkauf. Er war ursprünglich von beiden Seiten 
Realkontrakt, indem die Leistung des Kaufpreises durch den Bräutigam und die Hingabe der 
Braut durch den Vormund uno actu, Zug um Zug erfolgten. Aber schon früh traten der Kauf- 
vertrag über die Braut und deren Ubergabe als zwei zeitlich und rechtlich geschiedene Hand- 
lungen auseinander, so daß nunmehr die Eheschließung in den Akt der Verlobung (desponsatio) 
und in den Akt der Trauung (traditio puellae) zerfiel. Die Verlobung war der schuldrechtliche 
Vertrag, abgeschlossen zwischen dem Bräutigam und der Sippe oder dem Vormund der Braut, 
durch den diese in die Ehe verkauft wurde. Auf den Willen der Braut kam es nicht an. Sie 
brauchte um die Verlobung nicht einmal zu wissen. Doch wurde unter dem Einfluß des Christen- 
tums auf die Zustimmung der Braut (die sich dadurch zur Treuc verpflichtete) steigende Rück- 
sicht genommen und den Weibern, zunächst den Witwen, die Befugnis eingeräumt, sich in be- 
stimmten Fällen selbst zu verloben. Für den Kaufpreis (Wittum, burgundisch wittemo, friesisch
	        
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