Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 163 
vorbehaltenen Materien des Verlagsrechts (19. Juni 1901), des Scheckrechts (11. März 1908) 
und des Versicherungsvertrags (30. Mai 1908) reichsgesetzlich normiert. Die Wechselordnung 
ist mit Einschluß der Nürnberger Novellen in einer neuen Redaktion vom 3. Juni 1908 publi- 
ziert worden. Am 23. Juli 1912 unterzeichnete das Deutsche Reich nebst 21 anderen 
Staaten Europas, Mittel- und Südamerikas im Haag ein Abkommen über Vereinheit- 
lichung des Wechselrechtes, durch das sie sich verpflichteten einen von der Haager Wechsel- 
rechtskonferenz ausgearbeiteten Entwurf einer Wechselordnung in ihren Gebieten als Gesetz 
einzuführen. Die Haager Wechselordnung beruht im Wesentlichen auf den Grundsätzen 
der deutschen Wechselordnung, die dadurch nunmehr — abgesehen von den Gebieten des 
englischen und nordamerikanischen Rechtes — zum Weltwechselrecht erhoben werden. 
II. Das Staatsrecht. 
§ 66. Der Kaiser. Der deutsche König führte in diesem Zeitabschnitte den Kaisertitel 
ohne päpstliche Krönung. Zuerst hatte 1508 Maximilian I. mit Zustimmung des Papstes 
Julius II. den Titel eines erwählten römischen Kaisers angenommen. Diesen führten auch 
seine Nachfolger, unter denen sich nur noch Karl V. (1530 zu Bologna) vom Papste zum Kaiser 
krönen ließ. Seitdem gab es nur noch eine Königskrönung, die von Ferdinand I. ab nicht mehr 
zu Aachen, sandern zu Frankfurt a. M., also am Wahlorte stattfand. Das Recht der Konsekration 
des Königs ist 1562 vom Kölner Erzbischof wieder auf den Mainzer übergegangen. Vor der 
Krönung beschwor seit 1520 der König die Wahlkapitulation durch persönlichen Eid. Von 1711 
ab versprach der Gewählte, sich vor Ableistung dieses Eides der Regierung nicht zu unterziehen. 
Die kaiserliche Gewalt ging im Verhältnis zu den Reichsständen stetig zurück. Schon 
1531 erklärte ein ungenannter Jurist, das Reich sei eine Aristokratie, die Stellung des Kaisers 
ähnlich der des Dogen von Venedig. In allen wichtigeren Reichsangelegenheiten sah sich der 
Kaiser auf die Zustimmung des Reichstags angewiesen. Die theoretisch noch in Anspruch ge- 
nommene plenitudo potestatis sacri imperü schrumpfte — namentlich infolge der Wahl- 
kapitulationen — zu etlichen Reservatrechten (iura caesarea reservata) ein. So nannte man 
die Befugnisse, in deren Ausübung der Kaiser vom Reichstag unabhängig war, zum Unter- 
schiede von den sogenannten iura comitialia, die er nur in Gemeinschaft mit dem Reichstage 
ausüben konnte. Der Kaiser war befugt, im Reichstage Propositionen einzubringen er hatte 
ein Veto gegen Beschlüsse des Reichstags. Reichsgesetze bedurften seiner Sanktion. Zu den 
Reservatrechten gehörten die oberste Reichsgerichtsbarkeit, soweit sie durch den Reichshofrat 
ausgeübt wurde, das Eigentum am Reichsgut, die oberste Lehnsherrlichkeit, die Erteilung ver- 
schiedenartiger Privilegien, ferner gewisse Rechte gegenüber den Reichskirchen, die Standes- 
erhöhung, das Recht, Notare zu kreieren, uneheliche Kinder zu legitimieren, Moratorien und 
veniam aetatis zu gewähren. Die Ausübung einzelner Reservatrechte pflegte der Kaiser anderen 
zu übertragen, Fürsten, Korporationen, einzelnen Privatpersonen. Die ihnen zur Ausübung 
übertragenen Befugnisse faßte der Ausdruck comitiva zusammen. Diese war wieder entweder 
eine comitiva minor, welche die vier zuletzt genannten Reservatrechte, oder eine comitiva maior, 
die auch das Recht der Adelsverleihung in sich schloß und häufig den Landesherren verliehen 
wurde. Bei Ausübung gewisser Reservatrechte, so bei Erteilung von Münz-, Zoll- und Stapel- 
gerechtigkeiten, war der Kaiser an die Mitwirkung der Kurfürsten gebunden (iura reservata 
limitata). Die königlichen Regalien hatten sich teils durch Verleihung, teils kraft Herkommens 
in landesherrliche Rechte umgewandelt. Ein neues Regal tauchte zu Anfang des 16. Jahr- 
hunderts mit der Ausbildung des Postwesens auf. Allein einzelne Reichsstände (so Kursachsen 
und Brandenburg) weigerten sich, ein kaiserliches Postregal anzuerkennen. Im übrigen wurde 
es 1615 von Kaiser Matthias dem Grafen Lamoral von Taxis als erbliches Reichslehen ver- 
liehen. 
§ 67. Die Reichshofämter und das Reichskammergericht. Die Politik der Habsburger 
war von alters her darauf gerichtet, ihre Stellung im Reiche zur Verstärkung ihrer erbländischen 
Hausmacht zu verwerten. Dieses Bestreben kommt auch in der eigentümlichen Zwitterstellung 
zum Aue#druck, in der sich die am Hofe des Kaisers vorhandenen Reichsbehörden befanden. Vom 
Kaiser besetzt, waren sie einerseits für Reichssachen, andererseits für erbländische Sachen zuständig: 
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