Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 197 
erfahren (z. B. als Lehnsträgerschaft). Der Umfang der Ausübungsbefugnis wird Dritten 
gegenüber durch die Vertretungsmacht bestimmt. Dem Vertretenen gegenüber ist der Ver- 
treter zu getreuer Ausübung verpflichtet. 
Verschieden von der Stellung des Vertreters ist die des Treuhänders. Der Treu- 
händer übt eigenes Recht in eigenem Namen aus. Auch er aber soll das Recht nicht (oder 
doch nicht voll) in eigenem, sondern in fremdem Interesse gebrauchen und ist somit zu getreuer 
Ausübung verpflichtet. Es ist möglich, daß diese Gebundenheit sich lediglich in der Treupflicht 
gegen den Interessenten äußert, während die äußere Rechtsmacht davon unberührt bleibt. So 
liegt die Sache bei den fiduziarischen Verhältnissen des römischen Rechts. Das germanische 
Recht aber hat die Gebundenheit des Treuhänders mit absoluter Wirkung ausgestattet, so daß 
die anvertraute Rechtsmacht selbst durch die ihrer Ausübung gezogenen Grenzen beschränkt 
wird. Daraus ergibt sich je nach der Struktur dieser Rechtsmacht ein gebundenes Eigentum 
oder ein eigenartiges begrenztes dingliches Recht oder ein beschränktes Forderungsrecht. Treu- 
händer spielten im deutschen Mittelalter vor allem als „Salmannen“ im Liegenschaftsverkehr 
eine wichtige und mancherlei sehr ungleichartigen Zwecken angepaßte Rolle. Sie begegnen 
serner in den Dispensatoren frommer Spenden, den Testamentsvollstreckern, den schuld- 
rechtlichen „Zufängern“ usw. Nach der Rezeption verdunkelt, ist die deutschrechtliche Treu- 
händerschaft gleichwohl lebendig geblieben und gerade im neuesten Recht (zum Teil unter dem 
alten Namen) wieder zum Durchbruch gekommen. 
Das deutsche Recht knüpft vielfach die Ausübung von Rechten an eine besondere Legiti- 
mation (z. B. durch Bucheintrag, Vorlegung einer Urkunde, Sachbesitz). Dann kann 
der Berechtigte ohne Legitimation das Recht nicht ausüben, während andererseits eine wirk- 
same Ausübung durch den legitimierten Nichtberechtigten möglich ist. 
Endlich kann einem Recht zeitweilig überhaupt die Ausübungsbefugnis fehlen. Ein 
solches Recht ruht (z. B. elterliche Gewalt, Jagdrecht, Realrechte). 
Literatur: A. Schultze, Die langobardische Treuhand und ihre Umbildung zur Testaments- 
vollstreckung (Unters. H. 49), 1895; Treuhänder im geltenden Recht, 1901 (auch im Jahrb. f. D. 
XIIII). K. Beyerle, Grundeigentumsverhältnisse u. Bürgerrecht im mittelalterlichen Kon- 
stanz, Bd. I: Das Salmannenrecht, 1900. Otto Loening, Grunderwerb u. Treuhand in 
Lübeck (Unters. H. 93), 1907. 
§ 17. Schutz der Rechte. Die Privatrechte vollenden sich durch den ihnen gewährten 
staatlichen Schutz. Der Schutz erfolgt durch öffentlichrechtliche Handlungen, die auf Sicherung, 
Feststellung und Durchsetzung der Rechte gerichtet sind. Er besteht bei den Privatrechten vor 
allem in der Gerichtshilfe, für die regelmäßig der Weg des Zivilprozesses bestimmt ist. Der 
Anspruch auf Gerichtshilfe ist öffentlichrechtlicher Natur, tritt aber in den Dienst des Privat- 
rechts und ergänzt dieses als bestimmungsmäßiges Zubehör erst zu einem vollkommenen Recht. 
Die wichtigsten Mittel, die Gerichtshilfe zugunsten eines Privatrechts in Bewegung zu setzen, 
sind für den Angriff die Klagen und für die Verteidigung die Einreden. Daher bilden, wäh- 
rend die Klagehandlung und die Einredehandlung dem Prozeßrecht angehören, die Klagerechte 
und die Einrederechte einen wesentlichen Bestandteil des Aufbaues der Privatrechte. 
Die Klage war im deutschen Recht, wie ihr Name sagt, Beschwerde über Rechts- 
kränkung und Bitte um richterliche Abhilfe. Darum entsprang aus jedem Rechte, sofern nicht 
eine Ausnahme gemacht war, im Falle seiner Verletzung ein Klagerecht. Es gab kein be- 
sonderes System der Klagerechte, sondern nur ein System der Klagen, die teils nach der Art 
der Beschwerde (z. B. rechtsförmliche und schlichte Klagen), teils nach der Art des Begehrens 
(z. B. Klagen um liegendes Gut, um Fahrnis, um Erbschaft, um Schuld) unterschieden wurden. 
Mit der Rezeption wurde theoretisch das römische Aktionensystem ausgenommen, das auf der 
Anschauung beruhte, daß das Klagerecht als actio ein vom jus verschiedenes, besonderer Be- 
gründung bedürftiges und für dasselbe jus in mehrfacher Gestalt mögliches Recht sei. Doch 
wurde es in Deutschland nie recht lebendig, durch Schaffung beliebiger actiones utiles entkräftet 
und endlich wieder abgestoßen. Heute entspringt wieder jedem Privatrecht ein Klagerecht, 
wenn es ihm nicht (wie bei Verlöbnis, Spiel, Ehemäkelei) ausdrücklich entzogen ist. Darum 
haben auch die Namen der Klagen nur noch wissenschaftliche Bedeutung. Die römischen
	        
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