2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 199
ersatz, auf die einst daneben verwirkte, heute meist nur alternativ verlangbare Buße und auf
Ersatz der Verwendungen.
Literatur: F. Dahn, Fehdegang u. Rechtsgang bei den Germanen, 1877. 28 endt,
Faustrecht, 1883. v. Tuhr, Notstand im Zivilrecht, 1888. E. Titze, Die Notstandsrechte im
Be., 1897. — Wilda, Pfändungsrecht, Z. f. D. R. I 167 ff. ä geli, Das germanische
Selbstpfändungsrecht mit besonderer Rücksicht auf die Schweiz, 1876. amuelsohn, Wir-
kungen der Privatpfändung, 1878. Gierke, P.D. R. 1 5 39, Schuld u. Haftung S. 34 ff.
W. Bayer, Das Recht aus erlaubter eigenmächtiger Pfändung, 1899. E. Gallus, Die
Privatpfändung im geltenden Recht, 1908. R. Hübner, Grundz. S. 429 ff.
Zweites Buch. Personenrecht.
Kapitel I. Die Einzelpersönlichkeit.
§lf 19. Begriff und Inhalt. Der Begriff der Einzelpersönlichkeit deckt sich heute mit dem
des Menschen. Dieser Begriff ist erst allmählich errungen. In der Urzeit war nur der Volks-
genosse Person. Die fränkische Zeit versagte noch dem Unfreien die Persönlichkeit. Schon
im deutschen Mittelalter aber drang die Anschauung durch, daß jeder Mensch rechtsnotwendig
Person sei. Eine Ausnahme wird heute auch nicht auf Grund von fremdem Recht anerkannt.
Wesentlicher Inhalt der Persönlichkeit ist die Rechtsfähigkeit. Sie blieb im
deutschen Mittelalter grundsätzlich ungleich und insbesondere für hörige und eigene Leute ge-
mindert. Nach der Rezeption erfolgten hinsichtlich der Leibeigenen (zum Teil auf Grund der
römischen Sklavenlehre) sogar Rückschritte. Seit der Aufhebung aller Hörigkeit ist jeder Mensch
Vollperson. Die vertragsmäßige Aufgabe von Freiheitsrechten, wie sie das deutsche Recht
in der Selbstergebung kannte, ist unwirksam. Doch bedeutet die Gleichheit der Personen im Recht
nur Gleichwertigkeit, nicht Gleichförmigkeit.
Regelmäßiger Inhalt der Persönlichkeit ist die Handlungsfähigkeit (nach BGB.
„Geschäftsfähigkeit“ und „Verantwortlichkeit“). Auch sie ist unverzichtbar. Sie kann aber ganz
oder teilweise fehlen. Dann sorgt das Privatrecht für Ergänzung (,gesetzliche Vertretung“).
§ 20. Erwerb und Berrlust.
I. Erworben wird die Persönlichkeit mit der Vollendung der Geburt. Das vor oder
in der Geburt verstorbene Kind ist nie Person geworden. Dagegen ist das nach deutschem
Recht geltende Erfordernis der Lebensfähigkeit (Sachsensp. I a. 33, a. 36 F 1) beseitigt. Vor
der Geburt besteht keine Persönlichkeit. Doch wird der Leibesfrucht als möglichem künftigen
Rechtssubjekt der Erwerb bestimmter Rechte, die ihr, wenn sie schon geboren wäre, zufielen,
offengehalten und erforderlichen Falles ein Pfleger bestellt. Im übrigen richten sich die
Persönlichkeitsrechte nach dem Zeitpunkt der Geburt, nicht der Zeugung.
Der Beweis, daß ein Kind nach der Geburt gelebt hat, konnte nach älterem deutschen
Recht nur auf eine bestimmte Weise (insbesondere durch Zeugen, die das Kind die vier Wände
beschreien hörten) erbracht werden. Heute ist jedes Beweismittel zulässig. Auch der Zeit-
punkt der Geburt ist eine beweisbedürftige Tatsache. Erleichtert wird der Beweis durch die
öffentliche Beurkundung der Geburtsfälle (früher in den Kirchenbüchern, heute im staatlichen
Standesregister).
II. Verloren wurd die Persönlichkeit durch den Tod. Vor dem Tode endete sie
im älteren deutschen Recht durch Friedlosigkeit, deren letzter Rest die zum Teil erst im 19. Jahr-
hundert abgeschaffte Strafe des bürgerlichen Todes war. Ferner durch Eintritt in einen Mönchs-
oder Nonnenorden, der nach gemeinem Recht ihren ÜUbergang auf das Kloster, dagegen nach
dem Sachsenspiegel (1 a. 25) und dem Preuß. LR. (II 11 KF 1199 ff.) ihren Untergang für
das bürgerliche Recht und daher Eröffnung der Erbfolge („Klostertod“) bewirkte. Das BGB.