200 II. Geschichte und System des dautschen und römischen Rechts.
hat die Rechtsunfähigkeit der Mönche und Nonnen beseitigt, läßt aber landesgesetzliche Be-
schränkungen ihres Erwerbes aus Schenkungen und von Todes wegen zu (EG. a. 87).
Der Tod bedarf des Beweises. Erleichtert wird der Beweis des Todes durch die
öffentliche Beurkundung der Sterbefälle (einst in den Kirchenbüchern, jetzt in den Standes-
registern).
Der Beweis wird ersetzt durch die aus deutschrechtlicher Wurzel entwickelte gerichtliche
Todeserklärung eines Verschollenen. Im älteren deutschen Recht wurden die nächsten
Erben des Verschollenen in die Gewere an seinem Vermögen gegen Sicherheitsleistung ein-
gewiesen; kehrte der Verschollene nicht zurück, und galt sein Tod als sicher, so wurde der vor-
läufige Erbschaftserwerb endgültig und rückwärts wirksam. Diese vorläufige Einweisung der
Erben erhielt sich nach der Rezeption, wurde aber im sächsischen Recht zur „Vormundschaft
über Abwesende“ umgebildet. Hiermit verband man die formelle Vermutung des Eintritts
des Todes nach Ablauf längerer Frist. Zunächst hielt man trotzdem an der successio ex tunc
fest, mehr und mehr aber trat die successio ex nunc an die Stelle. Als Zeitpunkt des ver-
mutlichen Todes galt gemeinrechtlich die Erreichung eines sehr hohen Alters, das zuerst auf
100 Jahre bestimmt, dann von Sachsen her auf 70 Jahre ermäßigt wurde. Daneben verbreitete
sich von Schlesien aus das sog. Schlesische System, nach dem eine längere Zeitdauer der Ver-
schollenheit (30 Jahre, später kürzere, meist zehnjährige Frist) entscheidet. Seit dem 18. Jahr-
hundert wurde ein gerichtliches Todeserklärungsverfahren mit Ediktalzitation des Verschollenen
üblich und bald gesetzlich vorgeschrieben. In neuerer Zeit wurden kürzere Fristen und zum
Teil auch ein vereinfachtes Verfahren für die Fälle hoher Wahrscheinlichkeit des Todes ein-
geführt, nach den großen Kriegen auch Spezialgesetze erlassen. Das BG. hat das sehr bunte
bisherige Recht durch einheitliches Recht ersetzt. Im wesentlichen hat das Schlesische System
gesiegt, indem die Todesvermutung eintritt, sobald die Verschollenheit (nachrichtenlose Ab-
wesenheit) 10 Jahre gedauert hat. Doch kommt das Lebensalter bei mehr als Siebzig-
jährigen, bei denen eine fünfjährige Verschollenheit genügt, und bei Minderjährigen, bei denen
die Frist erst nach Eintritt der Volljährigkeit läuft, in Betracht. Kürzere Fristen gelten bei
Kriegs-, See- und sonstiger Gefahrverschollenheit. Die Todesvermutung bedarf der Fest-
stellung durch gerichtliche Todeserklärung, die durch Ausschlußurteil nach vergeblichem Auf-
gebotsverfahren erlassen wird. Die Todeserklärung hat nur deklaratorische Kraft; sie hat
daher, wenn nicht eine andere Todeszeit ermittelt ist, als Todeszeit den Zeitpunkt des Ablaufes
der Verschollenheitsfrist oder des die wahrscheinliche Todesursache bildenden Ereignisses fest-
zustellen. Demgemäß werden alle Verhältnisse geordnet, als sei der Verschollene zu jener
Zeit verstorben. Die Vermutung kann aber widerlegt werden. Dann fällt die Wirkung des
Todeserklärung weg. Wird eine andere Todeszeit bewiesen, so entscheidet sich danach die Erb-
folge usw. Kehrt der Verschollene zurück, so tritt er in alle seine Rechtsverhältnisse (Vermögen,
Ehe, elterliche Gewalt) wieder ein. Indessen werden gewisse Wirkungen (z. B. Beendigung
der Vormundschaft) nicht wieder umgestoßen. Durch Eingehung einer neuen Ehe seitens des
Zurückgebliebenen wird nach dem BGB. (abweichend vom kanonischen Recht) die alte Ehe
aufgelöst; doch ist die neue Ehe nichtig, wenn beide Teile in bösem Glauben waren, und kann
von jedem gutgläubigen Ehegatten angefochten werden.
Bis zum Eintritt der Voraussetzungen der Todesvermutung gilt (im Einklang mit dem
älteren Recht, aber im Gegensatz zur neueren gemeinrechtlichen Praxis) eine Lebens-
vermutung für Verschollene (BB. F 19).
Literatur: Pfeiffer, Prakt. Ausf. II 236 ff., IV 351 ff. Bruns, Die Verschollenheit,
Jahro. des gem. R. 190 ff. Riesenfeld, Verschollenheit und Todeserklärung, 1891. Gierke
41—42. Hübner, Grundz. § 6—7. v. Schwerin S. 11. H. Meyer, Vom Rechts-
schein des Todes, 1912.
*21. Einfluß natürlicher Zustände.
I. Geschlechtsunterschied. Im älteren deutschen Recht bewirkte wegen der
Verflechtung des Privatrechts mit dem öffentlichen Recht, da die Frauen heeres- und gerichts-
unfähig waren, der Geschlechtsunterschied einen Unterschied auch in der Privatrechtsstellung.
In neuerer Zeit drang mit der Trennung von Privatrecht und öffentlichem Recht die grund-
sätzliche Gleichstellung der Geschlechter im Privatrecht durch. Nur im Familienrecht stehen