Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

230 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
geschäft wieder vom obligatorischen Vertrage, mit dem es vielfach vermischt worden war, 
losgelöst und bei der Ubereignung als „Auflassung“ formell ausgestaltet. Auf der Grund- 
lage des preußischen Rechts ruht das BGB. (§5 873—992) nebst der Reichsgrundbuchordnung. 
Literatur: Stobbe, Die Auflassung im deutsch. R., Jahrb. f. Dogm. XII 137 ff. Haiß, 
Traditio und investitura, 1876. Sohm, Zur Geschichte der Auflassung, 1879. Bewer, 
Sala, traditio, vestitura, 1880. f. Brunner, Zur Zechtsgeschichte der röm. u. german. 
Urkunde, 1880. Aubert, Grundbögernes Historie, 1892. P. Rehme, Das Lübecker Ober- 
stadtbuch, 1895; Geschichte des Münchener Grundbuchs, 1903; über das älteste Bremische Grund- 
buch, 1908; Über die Breslauer Stadtbücher, 1909; Zur Geschichte des Grundbuchwesens in Berlin 
(in Festschrift für Gierke), 1911. Beyerle, im Konstanzer Häuserbuch III S. 23ff., 1908. 
Böckel, Die Grundstücksübereignung in Sachsen-Weimar-Eisenach (Unters. H. 109), 1911. 
Gierke, D. P.R. II & 117—119. Hübner 30, 34. v. Schwerin S. 44 ff. 
§ 45. Das Grundbuchrecht. Mit der Erhebung des Grundbuchrechtes zum gemeinen 
deutschen Recht ist das Liegenschaftsrecht durchweg dem Publizitätsprinzip unterstellt. Die 
Grundbücher werden als öffentliche Bücher von den Grundbuchämtern (in der Regel den 
Amtsgerichten, partikularrechtlich aber auch von anderen Staats- oder Gemeindebehörden) 
geführt. Ihre Einrichtung ist in den Grundzügen reichsrechtlich geregelt, im einzelnen aber 
landesrechtlich ungleich gestaltet. Abgesehen von gewissen (besonders öffentlichen und fiskali- 
schen) Grundstücken, die vom Buchungszwange befreit sind, wird jedes Grundstück und jede 
liegenschaftliche Gerechtigkeit (in der Regel auf einem besonderen Blatt) gebucht. Die Ein- 
tragungen bei den einzelnen Grundstücken erfolgen auf Antrag, ausnahmsweise auch von 
Amts wegen. Die Prüfung erstreckt sich nur auf die formellen Voraussetzungen (Konsens- 
prinzip). Für den durch Versehen angerichteten Schaden haftet der Staat (oder die Gemeinde) 
mit Vorbehalt des Rückgriffes gegen den schuldigen Beamten. 
Der Bucheintrag hat sachenrechtliche Bedeutung. Er bestimmt den 
Grundstücksbestand, so daß Veränderungen der Sacheinheit erst durch Ab-- und Zuschreibungen 
zustande kommen. Er ist ferner erforderlich, damit eine rechtsgeschäftliche Anderung der 
dinglichen Rechtslage eintrete. Doch hat er diese Wirkung nur zusammen mit einem ding- 
lichen Rechtsgeschäft, das im Falle der Eigentumsübertragung ein als Auflassung formalisierter 
dinglicher Vertrag, in den Fällen der Begründung, Ubertragung, Belastung oder Anderung 
eines begrenzten dinglichen Rechts ein formfreier dinglicher Vertrag, im Falle des Eigentums- 
erwerbes durch Aneignung eine Aneignungserklärung und in den Fällen der Aufgabe des 
Eigentums oder eines anderen Rechts ein dinglicher Verzicht ist. Das dingliche Rechtsgeschäft 
ist abstrakt und wirkt unabhängig von Dasein oder Gültigkeit eines rechtlichen Grundes. Fehlt 
es aber, oder ist es nichtig, so kommt trotz der Eintragung die Rechtsänderung nicht zustande, 
entsteht vielmehr nur ein mit dem wahren Recht nicht übereinstimmender buchmäßiger Schein. 
Soweit eine Rechtsänderung, weil sie auf nicht rechtsgeschäftlichem Wege erfolgt ist oder für 
rechtsgeschäftliche Anderungen eine Ausnahme gilt, ohne Eintragung eintritt oder Verfügungs- 
beschränkungen (auch bei gebundenen Gütern) oder ältere Rechtsverhältnisse in Frage stehen, 
ist der Bucheintrag regelmäßig erforderlich, um der dinglichen Rechtslage Wirksamkeit gegen 
gutgläubige Dritte zu verschaffen. Der Bucheintrag bestimmt ferner den Rang der einge- 
tragenen Rechte. Er schließt endlich das Erlöschen der dinglichen Rechte durch Vereinigung 
mit dem Eigentum aus. 
Der Bucheintrag begründet aber zugleich ein selbständiges Formalrecht, 
das nach der Art der ideellen Gewere des deutschen Rechts dem materiellen Sachenrecht gegen- 
über wirksam wird. An sich geht freilich, wenn das Grundbuch mit der dinglichen Rechtslage 
nicht übereinstimmt, das wahre Recht dem buchmäßigen Scheine vor. Allein zunächst ent- 
steht aus der Eintragung oder Löschung eines Rechts eine Vermutung für dessen Bestand 
oder Nichtbestand. Sodann und vor allem hat kraft des öffentlichen Glaubens des Grund- 
buchs der buchmäßige Schein eine formale Legitimationskraft, so daß, wer im rechtsgeschäft- 
lichen Verkehr auf die Richtigkeit oder Vollständigkeit des Grundbuchs vertraut, den sachen- 
rechtlichen oder sonstigen rechtlichen Erfolg erzielt, den er erwarten durfte. Nur böser Glaube 
(nicht auch, wie meist bisher, Unentgeltlichkeit des Erwerbes) schließt diesen Erfolg aus. Der 
wahrhaft Berechtigte erleidet damit einen entsprechenden Rechtsverlust und behält nur mög- 
icherweise einen persönlichen Anspruch auf Wiederherstellung oder Schadensersatz aus un- 
 
	        
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