232 II. Geschichte und System des deutschen unb römischen Rechts.
Art des Eigentums aufgefaßt, wohl aber muß beachtet werden, daß sie, da jedes Grundstück
zugleich ein Teil des vaterländischen Bodens ist, die private Sachherrschaft daran in feste Schranken
weist und im Kollisionsfall überwindet (§ 49 a. E., §50).
Das deutsche Grundeigentum verband mit dem vermögensrechtlichen Inhalte
einen personenrechtlichen Inhalt; es bestimmte je nach seiner Beschaffenheit Stand
und Beruf, gab Amt und Pflicht, war eine soziale Position. Unter dem Einflusse des römi-
schen Rechts wurde es reines Vermögensrecht. Aber sein Persönlichkeitswert wirkt auch heute
auf das Vermögensrecht abwandelnd ein und ruft vor allem bei den gebundenen Gütern Rechts-
sätze hervor, die dem Gedanken Ausdruck geben, daß die Grundstücke niemals Waren sind,
sondern Familienheimat und Berufsstätte.
Ursprünglich kannte das germanische Recht nur ein einziges Sachherrschafts-
recht, das aber mehr oder minder vollständig sein konnte; es gab lebenslängliches oder fest
defristetes, unveräußerliches oder beschränkt veräußerliches, freies oder belastetes, anwartschaft-
liches und rückfälliges (aufschiebend oder auflösend bedingtes) Eigentum. So erschienen die
begrenzten dinglichen Rechte als Eigentumsformen (Nießbrauch, Pfandrecht) oder Ausflüsse
von Eigentumsverteilung (Dienstbarkeiten, Reallasten). Mit der Entwicklung der Leihe-
verhältnisse zweigten sich vom „Eigen“ die mehr und mehr als dinglich anerkannten Leih-
besitzrechte unter besonderen Namen (beneficium, precaria, Lehen, Erbe usw.) ab. All-
mählich verselbständigten sich dann in allen Rechtskreisen dem Eigen gegenüber auch be-
grenzte dingliche Rechte (Leibzucht, Satzung, Wartrecht, Dienstbarkeiten, Reallasten
usw.). Ihre Zahl war unbegrenzt, die Bildung neuer Typen stets möglich. So trat eine
außerordentliche Zersplitterung der Sachherrschaft ein.
Das deutsche Recht bildete nunmehr einen begrifflichen Gegensatz zwischen
dem Eigentum und den anderen Sachenrechten aus. Damit wurde zugleich
das Recht schärfer von seinem Gegenstande abgehoben; während ursprünglich das Wort „eigen“
beides bezeichnet, kommt seit dem 13. Jahrhundert das Wort „eigenschaft“ oder „egendom“
(ihnlich „lehnrecht“ neben „lehen“ usw.) auf. Allein immer erscheinen das Eigentum und
die anderen Sachenrechte als gleichartig und gleich unmittelbar; diese anderen Rechte ergreifen
entweder gleichfalls die Sache im ganzen und sind dann eigentumsähnliche Rechte (Lehen,
Erbzinsrecht usw., zum Teil auch „#eigen“ genannt), oder sie sind auf Teilherrschaft gerichtet
und gelten dann als verselbständigte Eigentumssplitter. Hiermit hängt es zusammen, daß
das Eigentum durch Abtrennung von Herrschaftsrechten sich mindert und, ungleich dem „elasti-
schen“ römischen Eigentum, Abstufungen erleidet; das vollkommene Eigentum heißt echtes,
durchschlachtiges, lauteres, lediges, volles, freies Eigentum; das Eigentum ist nicht echt, wenn
es nicht ursprünglich, nicht ledig, wenn es verliehen, nicht voll, wenn es durch Absplitterung
geschwächt, nicht frei, wenn es belastet ist. Mit dem römischen Recht drang dann die Unter-
scheidung von dominium und iura in re aliena ein. Allein einerseits erhielten sich im „geteilten
Eigentum“ mehrfache auf die Sache im ganzen gerichtete Herrschaftsrechte (§ 47), anderer-
seits blieben die begrenzten dinglichen Rechte verselbständigte Eigentumssplitter. Auch ihre
unbegrenzte Zahl erhielt sich im gemeinen Recht und in den Partikularrechten (besonders im
preuß. Recht, nach dem jedes persönliche Recht durch Sachbesitz oder Grundbucheintrag ding-
lich wird). Doch vollzog sich in neuester Zeit eine fortschreitende Konzentration des Eigen-
tums durch Beseitigung der Eigentumszersplittenung. Das BG#B. läßt für die Zukunft nur
noch die Entstehung bestimmter Arten von Rechten an Grundstücken zu, immerhin aber einer
größeren Zahl, als sie das römische Recht kennt.
Während im Mittelalter alles Grundeigentum mannigfach gebunden war (durch
Familien-, Nachbar-, Gemeinde-, Herren- und Königsrecht), wurde zuerst in den Städten und
allgemein durch die neuere Gesetzgebung die Freiheit des Grundeigentums grundsätzlich
verwirklicht. Aber unser Grundeigentum hat niemals den Charakter eines absoluten Rechtes
angenommen; es trägt Schranken in sich und ist mit Pflichten durchmischt. Und es gibt
Rechtsinstitute, die ein gebundenes Eigentum begründen.
Der Begriff des Eigentums wurde im Mittelalter auch auf das Herrschaftsrecht an un-
körperlichen Sacher erstreckt. Hieran hielten neuere Gesetzbücher fest (Preuß. LR. 1,
8 1, Osterr. G. § 353). Das BEB. vermeidet diesen Sprachgebrauch.