234 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
Die Zuweisung durch den König oder Landesherrn (regelmäßig mittels Erteilung einer öffent-
lichen Urkunde) blieb im Frankenreich und später in den Kolonisationsgebieten ein wichtiger
Erwerbsgrund. Die Aneignung von herrenlosem Lande wurde an königliche Zustimmung ge-
bunden und galt später als staatliches Vorrecht. Gegenüber dem in das gemeine Recht über-
nommenen römischen Prinzip der Aneignungsfreiheit hielten Landesrechte (so auch preuß.
und französ. Recht) am ausschließlichen Aneignungsrecht des Staates fest. Das BGB. erhebt
dies zu gemeinem Recht, läßt aber Landesrechte, nach denen das Aneignungsrecht dem Guts-
herrn oder der Gemeinde zusteht (schlesisches „Auenrecht"“), unberührt. Der Eigentumserwerb
erfolgt erst durch Eintragung. Dem Aneignungsrecht unterliegt auch verlassenes Land; das
Eigentum wird aber nur durch Verzichtserklärung und Eintragung verloren.
Die rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums erfolgt durch ding-
lichen Vertrag und Eintragung (oben §§ 44—45); die Willenseinigung muß hier als „Auf-
lassung“ bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile mündlich vor dem Grundbuchamt (nach
Landesrecht auch vor einer anderen Behörde oder einem Notar) erklärt werden und verträgt
weder Bedingung noch Befristung. Das Eigentum an buchungsfreien und nicht gebuchten
Grundstücken geht nach allen Ausführungsgesetzen zum BGB. durch bloße Einigung in öffent-
lich beglaubigter Form über.
Eine Ersitzung von Grundeigentum ist nach dem BGB. nur noch als Buchersitzung
und überdies nach dreißigjährigem Besitz auf Grund Ausschlusses des eingetragenen Eigen-
tümers und Eintragung des Besitzers (§ 927) möglich.
Eigentumserwerb ohne Eintragung erfolgt in den Fällen einer Gesamtnachfolge
(Erbgang, Eintritt ehelicher Gütergemeinschaft, Anwachsung bei gesamter Hand usw.), durch
Zuschlag in der Zwangsversteigerung und durch gesetzliche Ubertragung (Reichsges. v. 25. Mai
1873, Landesgesetz nach EG. a. 120).
Dazu tritt der Eigentumserwerb durch Enteignung (Expropriation), die seit dem
M. auf deutschrechtlicher Grundlage als besonderes Rechtsinstitut ausgebildet und durch
Landesgesetze näher geregelt ist. Die Enteignung ist ein staatlicher Eingriff in das Sachen-
recht, durch den im öffentlichen Interesse Eigentum übertragen oder belastet oder ein Recht
am Grundstück beseitigt, dem Erwerber aber, sei dies der Staat selbst oder ein anderer Unter-
nehmer, die Verpflichtung zu voller Entschädigung des Enteigneten auferlegt wird. Ihrem
rechtlichen Wesen nach ist die Enteignung ein in geordnetem Verfahren vollzogener rein öffentlich-
rechtlicher Akt, der aber privatrechtliche Wirkungen hat. Das Eigentum geht mit der endgülti-
gen staatlichen Willenserklärung (Enteignungsbeschluß) über. Der Entschädigungsanspruch und
die geleistete Entschädigung treten als Surrogat an Stelle des entzogenen Sachenrechts. Be-
sondere Enteignungsarten sind im Agrarrecht (meist mit Entschädigung in Land), Deichrecht,
Bergrecht, städtischen Baurecht, Wegerecht usw. ausgebildet.
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§ 50. Inhalt des Grundeigentums. Das Eigentum gibt die vollste Sachherrschaft,
die das Privatrecht kennt, ist aber an Grund und Boden und in erhöhtem Maße an bestimmten
Arten von Grundstücken einer Fülle gesetzlicher Schranken unterworfen. Diese Beschränkungen
gehören teils dem öffentlichen Recht, teils dem Privatrecht an. Gemischter Natur sind die
Regalien (unten § 51).
Zu den öffentlichrechtlichen Beschränkungen gehören die dem Landes-
recht vorbehaltenen Beschränkungen der Verfügung (Veräußerung, Teilung, Vereinigung und
Belastung, EG. a. 115, 117, 119) und die reichs- und landesrechtlichen Beschränkungen der
Eigentumsausübung kraft Militärhoheit, Gewerbepolizei, Baupolizei, Landeskulturpolizei,
Wasser-, Wege-, Forst-, Berghoheit usw., die den Eigentümer bald zum Unterlassen eines
gewissen Gebrauchs, bald zur Duldung gewisser Eingriffe, bald zu einem positiven Tun ver-
pflichten.
Privatrechtliche Beschränkungen entspringen in Ansehung der Verfügung
aus dem Sonderrecht der gebundenen Güter, in Ansehung des Gebrauches teils aus den hier
besonders bedeutungsvollen allgemeinen Eigentumsschranken, wie dem Schikaneverbot (durch