236 II. Geschichte uud System des deutschen und römischen Rechts.
besonders erworbenen niederen Regalien (Regalia minora oder accidentialis). Jene nannte
man auch „Majestätsrechte“ oder „wesentliche Hoheitsrechte“, diese „nutzbare Regalien“ und
endlich allein noch „Regalien“. Doch rechnete man zu den letzteren immer noch manche
echten Hoheitsrechte. Erst im 19. Jahrhundert drang die scharfe Sonderung der Regalien
sowohl von den rein öffentlichen Hoheitsrechten, die in der Staatsgewalt begrifflich enthalten
sind, wie von den rein privaten fiskalischen Rechten, die der Staat aus gleichen Titeln wie
eine Privatperson erworben hat, allmählich durch.
Heute sind Regalien nur solche Rechte, die an sich einen privatrechtlichen Inhalt haben,
jedoch kraft eines Satzes des öffentlichen Rechts ausschließlich dem Staate zustehen. In dem
Regal verbindet sich mit der „Regalhoheit“, die dem Staate auch ohne das Regal zustehen
würde und dieses überlebt, die „Regalherrlichkeit“, die dem Staate die Substanz eines nutz-
baren Rechts gewährt und sich in vorbehaltenen Nutzungen und im Heimfallsrecht äußert.
Die Regalherrlichkeit ist unübertragbar; eine Befreiung von ihr kann nur durch besonderen
Rechtssatz (Privileg) eintreten. Dagegen kann die Regalnutzung Privatpersonen überlassen
werden und den Inhalt besonderer Privatrechte bilden. Früher wurden aus dem Regal,
hauptsächlich durch Verleihung oder Unvordenklichkeit, selbständige „Regalgerechtigkeiten“ ab-
geleitet. In neuerer Zeit wird die Regalnutzung auch verpachtet.
Als Arten der Regalien kommen, da viele ältere Regalien verschwunden oder in reine
Hoheitsrechte übergegangen sind (z. B. Fremden-, Juden-, Zoll-, Münzregal), hauptsächlich
noch Gewerberegale und grundherrschaftliche Regalien in Betracht. Die ersteren (bei uns Post-
und Telegraphenregal, früher Salzhandels-, Spielkartenregal usw., im Auslande Tabaks= und
Branntweinregal) gewähren dem Staate eine ausschließliche Gewerbeberechtigung (oben §& 36).
Die grundherrschaftlichen Regalien behalten dem Staat nutzbare Befugnisse vor, die ursprüng-
lich im Grundeigentum enthalten waren, dann aber diesem gegenüber verselbständigt sind.
Schon im Mittelalter in reicher Fülle entwickelt und später unter Zuhilfenahme der Lehre vom
dominium eminens und vom staatlichen Recht auf herrenlose Sachen vermehrt, sind sie in
neuerer Zeit vielfach beseitigt und durch bloße Hoheitsrechte ersetzt. So ist z. B. an Stelle
des Wegeregals bloße Wegehoheit getreten. Aber zum Teil bestehen sie noch, und zum anderen
Teil wirken sie nach. Insbesondere hängt die Gestaltung des Wasserrechts, des Forst- und
Jagdrechts und des Bergrechts mit der Regalienlehre zusammen.
Literatur: Gierke, D. P.K. II 5 124. Hübner § 38.
§ 52. Das Wasserrecht. Deutscher Herkunft ist im wesentlichen das gesamte Wasser-
recht, auf dessen Gestaltung nur zeitweise das römische Recht einen vielfach unheilvollen Ein-
fluß ausübte. Das Wasserrecht, mit Einschluß des Deich- und Sielrechts und des Fischerei-
rechts, ist dem Landesrecht vorbehalten (EG. a. 65—66, 69) und durch eine umfassende Gesetz-
gebung geregelt, in der mehr und mehr die dem deutschen Recht immanenten Gedanken der
Einschränkung des Sonderrechts durch Gemeinschaftsrecht und des Privatrechts durch öffent-
liches Recht wieder zum Durchbruch gekommen sind.
I. Rechtsverhältnisse an Gewässern. Seit alter Zeit unterschied man
die fließenden Gewässer in öffentliche und private Gewässer. Neuere Gesetze haben weitere
Abstufungen eingeführt.
Als öffentliche Gewässer galten im Zweiffel alle schiffbaren Flüsse und Fluß-
erweiterungen. An ihnen stand ursprünglich das Eigentum der Volksgesamtheit und der Ge-
brauch jedem Volksgenossen zu. An Stelle des Volkseigentums trat das Königseigentum (die
Ströme heißen nun des Königs oder des Reiches Straßen), mit dem aber der gemeine Ge-
brauch vereinbar blieb. Mehr und mehr indes wurde das königliche und dann landesherrliche
Eigentum zu einem Stromregal verstärkt, kraft dessen auch die Nutzungen dem Staate vor-
behalten und alle Nutzungsrechte Privater aus Verleihung abgeleitet wurden. Heute ist in
den meisten Landesrechten (streitig, ob auch im gemeinen Recht) das staatliche Eigentum an
den öffentlichen Gewässern anerkannt, grundsätzlich jedoch der gemeine Gebrauch zugelassen.
Insbesondere ist die Benutzung für die Schiffahrt frei und nur der staatshoheitlichen Regelung
und in gewissem Umfange der Belastung mit Abgaben unterworfen. Ahnliches gilt von
anderen Benutzungsarten. Doch haben sich hinsichtlich bestimmter Benutzungsarten echte