Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 245 
deutschen Partikularrechten, wie schon nach schwäbischem Lehnrecht a. 85, auch an den schuld- 
losen Nachkommen, während nach gemeinem Recht sein Lehnrecht mitverwirkt ist). Ebenso 
haben Agnaten, Eventual- und Mitbelehnte (nach deutschen Partikularrechten auch Nach- 
kommen) auf Grund ihres unentziehbaren Wartrechts eine selbständige actio feudi revocatoria 
gegen Dritte, jedoch erst, wenn das Lehen ihnen anfällt; ihre Klage verjährt von diesem Zeit- 
punkte an (RGer. XVII Nr. 33). Im Falle des Verkaufes haben nach gemeinem Recht so- 
wohl der Herr wie die Lehnsanwärter überdies ein Näherrecht (retractus feudalis), kraft dessen 
sie das Gut von jedem Dritten gegen Ersatz des Kaufschillings an sich ziehen können (Partikular- 
rechte haben den Lehnsretrakt eingeschränkt oder abgeschafft, geben aber dafür zum Teil den 
Agnaten andere Rechtsmittel, wie das pommersche benekicium taxse, das beneficium relui- 
tionis usw.). 
Durch Konsens in die Veräußerung wird die Anfechtung ausgeschlossen. Die Zu- 
stimmung des Herrn ist den Anwärtern, die eines Anwärters den anderen Anwärtern unnach- 
teilig. Dagegen sind nach gemeinem Recht die Nachkommen eines Zustimmenden gebunden. 
Anders wieder nach Partikularrechten. Nach preußischem Recht wird die Veräußerung durch 
Familienschluß unanfechtbar. 
Ausnahmen vom Veräußerungsverbot gelten im Falle der Afterbelehnung (sub- 
infeudatio per dationem), die das Lehnsband unberührt läßt, jedoch dem Aftervassallen die 
allgemeine Treupflicht auch unmittelbar gegenüber dem Oberlehnsherrn auferlegt (II F. 55 
s 6). Partikularrechtlich auch im Falle der Hingabe zu Erbpacht (nicht nach gem. R., Rer. 
XVII Nr. 33). Ferner kann eine Frau ihr Lehen dem Manne als dos übereignen (II F. 
13, 17). Auch binden Anordnungen über die Erbteilung die Nachkommen. Eine dingliche 
Belastung des Lehens mit Dienstbarkeiten ist nur für die Besitzzeit des Bestellers und seiner 
Nachkommen wirksam. Auch die Ersitzung einer Dienstbarkeit wirkt nicht gegen den Herrn 
und die Anwärter (RGer. II Nr. 62, VI Nr. 76); neuerdings läßt aber das Reichsgericht 
(XXI Nr. 56) eine außerordentliche Ersitzung mit absoluter Wirkung zu. 
Veräußerliche Lehen (keuda alienabilia) können durch die lex investiturge be- 
gründet werden (II F. 26 § 25). Kraft Gesetzes bestehen sie besonders in ehemals slawischen 
Ländern, in die das Lehnswesen schon gelockert eindrang; meist muß hier der Lehnsherr ein- 
willigen, wenn das Lehen noch auf mehr als vier Augen steht (so in Mecklenburg); die An- 
wärter haben keine Revokatorienklage, sondern nur ein Einlösungsrecht. 
§ 24. Lehnsfolge. Die Sukzession in ein bestehendes vassallitisches Recht erfolgt ordent- 
licherweise nur auf Grund der Investitur durch Lehnerbfolge (successio feudalis legitima) 
oder Einrücken eines Eventual- oder Mitbelehnten (s. f. specialis), außerordentlicherweise im 
Wege der Veräußerung (so und nur so auch aus Testament oder Erbvertrag). 
Die Lehnerbfolge, lange nur tatsächlich Platz greifend, wurde seit dem 11. Jahr- 
hundert ein festes Recht. Doch erlangten im deutschen Recht nur die Nachkommen des letzten 
Besitzers ein Lehnerbrecht (Sächs. Lehnr. a. 6, a. 21 § 3, Schwäb. a. 42). Das langobardische 
Recht dagegen beruft alle Nachkommen des ersten Erwerbers. Folgeberechtigt sind aber nur 
lehnsfolgefähige Personen. Daher erbt nur der Mannsstamm (die Schwertmagen). Doch 
kann die lex investiturae Weiber und deren Nachkommen (Kunkelmagen) berufen (Weiber- 
lehen, Kunkellehen), was stillschweigend angenommen wird, wenn die prima acquirens ein 
Weib ist (II F. 30); im Zweifel erben die Kunkelmagen erst hinter dem Mannsstamme (anders 
beim „durchgehenden“ Weiberlehen, keudum femininum promiscuum). Beruht das Folge- 
recht auf Abstammung vom ersten Erwerber, so richtet sich die Folgeordnung nach der Nähe 
der Verwandtschaft mit dem letzten Besitzer (vgl. unten § 128). Gleich Nahe erben gemein- 
sam. Nach deutschem Recht brauchte der Herr nur einem von ihnen das Gut zu leihen; die 
anderen aber konnten Ersatz aus dem Allod verlangen (Sachsensp. I a. 14, Schwäb. Lehnr. a. 56). 
Nach langob. Recht teilen sie (1 F. 1 § 1, 8 pr., II F. 50), soweit nicht etwas anderes ver- 
einbart wird oder Unteilbarkeit des Gegenstandes entgegensteht (II F. 55 pr.). Der Lehn- 
erbe hat ein festes Wartrecht und erwirbt mit dem Erbfalle das Lehn von Rechts wegen. 
Ihrem Wesen nach ist die Lehnerbfolge Sondernachfolge in das vom Allodial- 
vermögen als Sondergut geschiedene Lehnsvermögen (RGer. XXXIV Nr. 115). Das lango-
	        
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