246 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
bardische Recht führt dies aber nur bei den „Agnaten“ (Seitenverwandten des letzten Be-
sitzers) rein durch; die Nachkommen des letzten Besitzers müssen, wenn sie das Lehen behalten
wollen, auch die Allodialerbschaft annehmen und dann als Gesamtnachfolger „facta defuncti
praestieren“ (II F. 45). Mit dem Gedanken der Sondernachfolge verbindet sich der einer
Zurückführung des Lehnerbrechts auf die für alle Nachkommen gegebene und empfangene
Investitur, aus dem die Feudisten die Theorie der „successio ex pacto et providentia maiorum“
entwickelten („Stammlehen"). Wo kraft der lex investiturae oder kraft Partikularrechts (wie
in Osterreich, Schlesien, Pommern, Mecklenburg) Abweichungen gelten, spricht man von
„Erblehen“ (feuda hereditaria).
§ 65. Lehusschulden. Während für Allodialschulden der Vassall nur mit den Früchten
und der Nachfolger nur, insoweit er Allodialerbe geworden ist, haftet, gibt es nach gemeinem
Gewohnheitsrecht (aus 1 F. 6 § 3 entwickelt) und allen deutschen Partikularrechten Lehns-
schulden (debita keudalia), die zum Lehnsvermögen gehören und auf den Lehnsfolger als
solchen übergehen.
Die Lehnsschulden sind entweder nur Lehnfruchtschulden oder Lehnsubstanzschulden.
Sie verpflichten entweder als absolute Lehnsschulden jeden Lehnsfolger (einschließlich des
Herrn) oder als respektive nur gewisse Lehnsfolger. Sie sind entweder prinzipale Lehns-
schulden, für die das Allod höchstens subsidiär haftet, oder subsidiäre Lehnsschulden, die erst
nach Erschöpfung des Allods das Lehen und den Lehnsfolger treffen. Bei veräußerlichen Lehen
sind alle Allodialschulden zugleich subsidiäre Lehnsschulden. Die Zwangsvollstreckung erfolgt
bei Fruchtschulden nur durch Zwangsverwaltung, bei Substanzschulden auch durch Zwangs-
versteigerung.
Zu den Lehnsschulden gehören gewisse gesetzliche Verbindlichkeiten des Lehnsfolgers
(gemeinrechtlich Alimentation des wegen körperlicher Gebrechen ausgeschlossenen bedürftigen
Nächstberufenen, partikularrechtlich Begräbniskosten, Unterhalt und Ausstattung bedürftiger
Tochter, Leibgedinge oder Wittum für die Witwe). Ferner Schulden aus Verwendung auf
das Lehen, die im Falle der Verwendung für die Sache jeden Lehnsfolger, im Falle der
Verwendung für den Erwerb des Lehens oder die Abfindung von Miterben nur die Lehns-
folger, die davon Vorteil haben, treffen. Sodann konsentierte Lehnsschulden für die Zu-
stimmenden und ihre Nachkommen. Eine Lehnsschuld ist auch der Lehnsstamm (constitutum
teudale), eine mit dem Lehen verbundene Kapitalschuld, deren Zinsgenuß nach Lehnrecht ver-
erbt wird (besonders als Abfindungsrente von Miterben, die dann beim Erlöschen, der abge-
fundenen Linie an das Lehen zurückfällt).
§ 66. Lehnssonderung. Wenn Lehen und Allod verschiedene Wege gehen — kraft ver-
schiedener Erbfolge, Heimfalles oder Aussonderung im Konkurse —, erfolgt die „Lehnssonde-
rung". Sie richtet sich zunächst auf Aussonderung der Lehnsstücke; allodiale Zubehörungen
gehen zum Allod, feudale bleiben beim Lehen; die Früchte fallen insoweit ins Allod, als sie
nach den Grundsätzen des deutschen Rechts verdientes Gut sind (unten s§ 83). Sodann muß
nach gemeinem Gewohnheitsrecht (anders nach sächs. R., Seuff. XIVI Nr. 106) aus dem
Lehnsvermögen zum Allodialvermögen Ersatz für Besserungen des Lehens durch Aufwendungen
und Schuldentilgungen, soweit nicht der Vassall zur Bestreitung aus den Lehnseinkünften ver-
pflichtet war, geleistet werden. Umgekehrt ist wegen Verschlechterungen des Lehens, falls
sie vom letzten Besitzer oder einem Vorbesitzer, dessen Allodialerbe jener geworden ist, ver-
schuldet sind, dem Lehnsfolger aus dem Allod Ersatz zu leisten.
§s 67. Beendigung. Wenn das vassallitische Recht erlischt, tritt die „Konsoli-
dation“ ein. Dauernde Konsolidation (consolidatio perpetua) erfolgt vermöge Heimfalles des
Lehens an den Lehnsherrn, wenn das Lehen durch Wegfall des Vassallen ohne Lehnsfolger
„eröffnet" wird. Temporäre Konsolidation ist Folge des Lehnsverzichtes (II F. 38) und der
Lehnsverwirkung durch Felonie. Doch zieht die Lehnsuntreue nur in schweren Fällen (zu
denen aber auch Deteriorationen, Versäumnis der Mutung um Lehnserneuerung, Ableugnung
der Lehnseigenschaft und Veräußerung gehören) den Lehnsverlust, in leichteren Fällen nur