248 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
Daneben bildeten sich Leiheverhältnisse nach Landrecht, die keine per-
önliche Abhängigkeit begründeten, aus. Freie Landleihen waren schon in fränkischer Zeit in
mannigfacher Gestalt (besonders unter dem Namen der Prekarie) sehr verbreitet und blieben
stets in Ubung. Ein besonders günstiges Besitzrecht wurde namentlich bei der Neubesiedelung
von Land den Ansiedlern gewährt, indem ihnen die erst urbar zu machenden Ländereien als
Waldhufen zu Erbzinsrecht verliehen wurden. In umfassendem Maße wurden seit dem
12. Jahrhundert bei der deutschen Ansiedlung auf slawischem Boden vererbliche und veräußer-
liche Kolonistenhufen nach deutschem Recht ausgetan. Es gab aber auch Verleihungen zu
schlechterem Besitzrecht an Landsassen oder Landsiedel, insbesondere Verleihungen auf Zeit
in Form freier (aber dinglicher) Zeitpacht; tatsächlich war auch hier Wiederverleihung üblich
und Hinneigung zur Erblichkeit vorherrschend. — Allmählich vermischten sich Hofrecht und
Landrecht.
II. Seit der Rezeption begann eine rückläufige Bewegung, die durch die Nieder-
lage der Bauern in den großen Aufständen verstärkt, durch die Anwendung des römischen
Rechts verschärft und durch den Dreißigjährigen Krieg besiegelt wurde. Die erblichen Besitz-
rechte wurden in nichterbliche zurückgewandelt; das römische Pachtrecht wurde angewandt;
die heimgefallenen Güter wurden zum Gutshofe eingezogen oder zu schlechterem Besitzrecht
wieder ausgetan. In manchen Gegenden des deutschen Ostens verschwanden die Bauer-
güter infolge des sogenannten „Legens“ fast ganz in den vergrößerten Rittergütern. Anderswo
(in Preußen seit 1667 und besonders seit 1749) schritten die Landesherren mit der Bauern-
schutzgesetzgebung ein, begründeten einen öffentlichrechtlichen Leihezwang, kraft dessen die
Gutsherren zur ungeschwächten Wiederbesetzung heimgefallener und zur Neubesetzung wülster
Stellen verpflichtet wurden, und beförderten (wenigstens bei Domänenbauern) die Ver-
erblichkeit der Besitzrechte.
So entstand eine überreiche Fülle verschiedener bäuerlicher Besitzrechte.
Man muß unterscheiden: 1. Güter im Alleineigentum des Bauern, seien sie unbelastet
oder belastet („schlechte Zinsgüter"). 2. Güter in geteiltem Eigentum: a) Bauern-
lehen, für die Lehnrecht gilt, b) Erbzinsgüter, die mit bloßem Anerkennungszins be-
lastet sind (Preuß. LR. I 18 88 683ff., Osterr. GB. s 1123), c) Erbpachtgüter,
bei denen der Zins als Entgelt für den Fruchtgenuß erscheint (vgl. RGer. XVIII
Nr. 52, Osterr. G. 7. 1122; das Preuß. LR. I 21 187 ff. erkennt bei ihnen ein Unter-
eigentum nicht an). 3. Güter in erblichem Nutzungsrecht. Nur selten fand die römische Emphy-
teuse Eingang (Vermutung gegen sie und für deutsche Erbpacht nach RGer. XV Nr. 39). Um
so verbreiteter sind erbliche Baugüter (Kolonatgüter, Meiergüter, erbliche Landsiedelleihen
und Laßgüter), bei denen das Nutzungsrecht durch tüchtige Wirtschaft bedingt ist, daher bei
Erreichung einer Altersgrenze (oft von 60 Jahren) an den Erben abgetreten werden muß, nur
an einen tüchtigen Wirt veräußert werden darf und durch schlechte Wirtschaft verwirkt werden
kann („Abmeierungsrecht“). 4. Güter in nichterblichem Baurecht. Neben Gütern, die auf
Lebenszeit des Herrn oder des Bauern oder auf zwei Leben verliehen sind, fanden sich,
namentlich im Osten, auf Widerruf verliehene Güter („lassitischer Besitz“), bei denen indes das
Widerrufsrecht verschiedenen Beschränkungen unterlag und regelmäßig nur gegen Ersatz
der Besserung ausgeübt werden konnte. 5. Zeitpachtgüter.
III. Die neuere Agrargesetzgebung hat vielfach alle Zwischenbildungen
zwischen Eigentum und Zeitpacht beseitigt. Sie hat an den Bauergütern, soweit nicht bloße
Zeitpacht bestand, den Besitzern das Eigentum zugesprochen, jedoch vielfach den Gutsherren
eine Entschädigung zugebilligt; bei der „gutsherrlich-bäuerlichen Regulierung“ in Preußen
mußte der Bauer einen Teil des Landes (ein Drittel bei erblichen, die Hälfte bei nichterblichen
Laßgütern) abtreten. Dagegen hat sie den Bauernschutz ausgegeben. Soweit ältere bäuer-
liche Besitzrechte noch bestehen, bleiben sie vom BG. unberührt. Ihre Neubegründung
kann auch durch Landesgesetz nicht zugelassen werden. Eine Ausnahme gilt für die Erbpacht
in denjenigen Staaten, in denen sie noch besteht (EG. a. 63; dazu gehört auch Preußen).
Die Erbpacht ist neuerdings in Mecklenburg neu belebt worden und durch die Ausführungs-
verordnungen zum BGB. dem neuen Recht angepaßt. In Preußen ist ein verwandtes Ver-
hältnis bei den Rentengütern geschaffen (unten § 73). -