Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 267 
keit abschwächte, oder die Schuldhaft, die zuerst in den Städten in die öffentliche Schuldhaft 
überging, ausgebildet. Der Einsetzung des Vermögens für Schuld diente als altes Formal- 
geschäft die Wadiation (Wettvertrag), bei der eine kestuca oder ein anderes Wahrzeichen als 
sinnbildliches Pfand übergeben wurde, dessen Nichteinlösung dem Gläubiger ein Pfändungs- 
recht verschaffte. Durch Wadiation wurde Vermögensbürgschaft für fremde Schuld geleistet, 
aber auch Vermögenshaftung für eigene Schuld übernommen. Seit Ausbildung der Immobiliar- 
exekution kam auch die rechtsgeschäftliche Haftbarmachung des gesamten Vermögens mit Ein- 
schluß der Liegenschaften auf. Eine Vermögenshaftung entsprang überdies als Empfangs- 
haftung aus dem Empfange eines Vermögensentgeltes für ein gegebenes Versprechen, so daß 
bei Realverträgen der Empfänger für das Versprechen der Rückgabe, bei gegenseitigen Ver- 
trägen der Empfänger der Leistung des anderen Teils für die versprochene Gegenleistung haftete. 
Diese Haftung wurde frühzeitig schon an den Empfang einer Teilleistung und demgemäß auch 
eines bloß sinnbildlich gemeinten Angeldes (arrha) geknüpft. Vielfach wurde mit dem Ver- 
mögenseinsatz Übernahme der leiblichen Haftung verbunden (so bei der fränkischen kides facta 
und dem sächsischen Treugelöbnis). Dann tritt die Haftung mit der Person erst nach fruchtloser 
Vollstreckung in das Vermögen ein. Man nannte daher, seit dies die Regel wurde, die Haftung 
mit dem ganzen Vermögen und mit der Person „persönliche Haftung“ und braucht diesen 
Ausdruck heute, nachdem die Haftung mit der Person infolge der Aufhebung der Schuldhaft 
(RGes. vom 24. Mai 1868) überhaupt weggefallen ist, für die unbeschränkte Vermögenshaftung. 
Ihr gegenüber bildete das germanische Recht mancherlei Formen einer beschränkten Haftung aus, 
von der entweder nur ein Sondervermögen (z. B. die Erbschaft, eine eheliche Gütermasse, das 
Schiffsvermögen) oder das Gesamtvermögen nur bis zu einer Haftgrenze ergriffen wird. 
Schon im deutschen Mittelalter vollzog und seit der Rezeption vollendete sich die grund- 
sätliche Werbindung von Schuld und Haftung. Allein auch im heutigen Recht 
hat gegenüber dem System der Schuldverhältnisse das System der zu ihrer Durchsetzung be- 
rufenen Haftungsverhältnisse, das durchaus im einheimischen Recht wurzelt, seine selbständige 
rechtliche Bedeutung. Aus Schuld entspringt heute regelmäßig ohne weiteres Vollhaftung 
mit dem ganzen Vermögen (,persönliche Haftung"“). Allein ausnahmsweise gibt es Schuld 
ohne Haftung (unvollkommene Verbindlichkeiten). Es gibt ferner Haftung ohne eigene Schuld. 
Insbesondere aber gibt es in Gestalt der Sachhaftung und der verschiedenen Formen der be- 
schränkten Vermögenshaftung besondere Haftungsarten, die kraft Gesetzes oder kraft Verein- 
barung an Stelle der Vollhaftung treten oder vor, neben oder hinter ihr wirksam werden 
können. 
Literatur: v. Amirau. Puntschart zu § 86. Die zu & 81 u. 84 angef. Schriften über 
Pfandrecht. Horten, Die Personalexekution in Geschichte u. Dogma, 2 Bde., 1893 u. 1895. 
Rintelen,, Schuldhaft u. Einlager, 1908. Gierke, Schuld u. Haftung im alten deutsch. R., 
insbesondere die Formen der Schuld= und Hlunge eschäfte (Unters. H. 100), 1910. v. Amira , 
fRGLVII484ffHMeyer,umUprunger Vermögenshaftung im deutsch. R 
i Festschrift für Gierte), 1911. Hübner s 68 ff. — H. Isay, Jahrb. f. D. XIVIII 187 ff. 
. Bekker, ebd. XILIV 51 ff. v. Schwerin, Schuld u. Haftung im geltenden deutsch. R., 
Bl Puntschart, Z. f. H.R. LXXI 297 ff. — Ehrenberg, Die beschränkte Haftung 
des Schuldners nach See- u. Handelsrecht, 1880. Pappenheim, Seerecht II 126 ff., 308 ff. 
g 88. Sondernachfolge in Forderung und Schuld. 
I. Die Forderung war nach deutschem Recht nicht nur vererblich, sondern auch 
unter Lebenden übertragbar, jedoch ursprünglich nur mit Zustimmung des Schuldners. Die 
Einwilligung des Schuldners wurde aber bei Wertpapieren durch die Order- oder Inhaber- 
klausel im voraus erteilt und fiel allmählich weg. Nach der Rezeption wurde unter dem 
Einfluß des deutschen Rechts die römische Zession zur Abrtetung der Forderung umgebildet 
und als solche in allen Gesetzbüchern geregelt. Nach dem BGB. erfolgt sie durch abstrakten 
Abtretungsvertrag, während eine Anzeige an den Schuldner nur erforderlich ist, um die Wirk- 
samkeit von Rechtshandlungen gegenüber dem alten Gläubiger auszuschließen. In vielen 
Fällen tritt ein Forderungsübergang kraft Gesetzes ein. Unübertragbar sind nicht nur 
höchstpersönliche und unpfändbare, sondern auch rechtsgeschäftlich der Ubertragung entzogene 
Forderungen.
	        
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