276 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
Literatur: Brunner, Über abksichtslose lsct.h im deutsch. Strafr., 1890, Forsch. S. 487 ff.
A. B. Schmidt, Die Grundsätze über den Schadensersatz in den Volksrechten (Unters. H. 18),
1885. O. Ha mmer „ Die Lehre vom *# nach dem Sachsensp. u. den verwandten
Rechten (Unters. H. 19), 1885. — Wäntig, Über aftung für fremde unerlaubte Hand-
lungen, 1875. J. Unger, Handeln auf eigne Gefahr, 2. Aufl. 1893. — H. Hoffmann, Die
Haftung für auberkontemtlithe Beschädigung durch Tiere nach Hamb. R. (unterl. H. 51), 1896.
H. *- ay, Die VBerantwortlichkeit des Eigentümers für seine Tiere, Jahrb. f. Dogm. XXXIX
209 ff. — E. Steinbach, Die Grundsätze des heutigen Rechts über den Ersatz von Vermögens-
schäden, 1888. E. G. v. W’d chter, Die Buße bei Beleidigungen u. Körpererletzungen, 1874.
A. Graf zu Do dohn a, Die Stellung der Buße im reichsrechtlichen System des Immaterialgüter-
schutzes, 1902. üller-Erzbach, Gefährdungshaftung u. Gefahrtragung, 1912.
Fünftes Buch. Familienrecht.
Kapitel I. Das Familienrecht überhaupt.
s9#8. Die Organisation der Familie. Die germanische Familie kam in den sich
kreuzenden Organisationen des Hauses und der Sippe zur Erscheinung.
Das Haus war ein herrschaftlicher Verband, der den Hausherrn und die seiner Munt
unterworfenen Hausangehörigen umfaßte (oben § 35). In der häuslichen Gemeinschaft
wurzelten die Rechtsverhältnisse zwischen Ehegatten, zwischen Eltern und Kindern und zwischen
Vormund und Mündel, die gegenüber den sonstigen der Hausherrschaft entsprungenen Rechts-
verhältnissen sich als Familienrechtsverhältnisse ausgestalteten. Darum war vor allem die
Munt über die Ehefrau, die Kinder und den Mündel das bildnerische Prinzip des deutschen
Familienrechts. Daneben aber griff das Prinzip der gesamten Hand rechtsbildend ein (oben
34). Der häusliche Verband ist noch heute eine personenrechtliche Gemeinschaft mit ein-
zelnen familienrechtlichen Wirkungen; die meisten aus ihm hervorgegangenen Verhältnisse
aber sind ihm gegenüber verselbständigt.
Die Sippe (Geschlecht, Magschaft) war die Genossenschaft der durch gemeinsame ehe-
liche Abstammung verbundenen Blutsfreunde. Sie war ursprünglich eine geschlossene Friedens-
und Rechtsgenossenschaft mit einer Fülle öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Funktionen.
Im Laufe der Zeit aber gab sie ihre wichtigsten Funktionen an andere Verbände ab und
büßte ihre Geschlossenheit ein. Nur im hochadligen Hause konstituierte sie sich in neuer Form
als Einheit; partikularrechtlich (besonders in Preußen) empfing sie auch in Gestalt der zu
einem Familienschluß in Ansehung von Lehen, Stammgütern und Familienstiftungen be-
fähigten Familie wieder eine gesetzliche Organisation. Im übrigen blieb nur die zwischen
Einzelpersonen bestehende Verwandtschaft als ein Rechtsverhältnis mit einzelnen familien-
rechtlichen und erbrechtlichen Wirkungen zurück. Zu den familienrechtlichen Wirkungen gehört
die gegenseitige Unterhaltspflicht, die aber das BG. nur noch zwischen Verwandten gerader
Linie anerkennt. Träger des Sipperechts waren ursprünglich nur die „Schwertmagen“
(„Agnaten“ im Sinne des deutschen Rechts), d. h. die durch Männer verwandten Männer (der
„Mannsstamm"). Schon nach den Volksrechten aber haben auch die „Spillmagen“ (Kunkel-
magen, Kognaten), d. h. die Weiber und die durch Weiber verwandten Männer, am Sippe-
recht teil. Doch erhielten sich bis heute im hohen Adel und bei den gebundenen Gütern Vor-
zugsrechte der Schwertmagen. Zum Teil war auch der Unterschied von „Vatermagen“ und
„Muttermagen“ bedeutungsvoll. Bei der Berechnung der Verwandtschaft ging das deutsche
Recht von der Schichtung der Sippe in Parentelen (Stämme, Ordnungen) aus; eine Parentel
wird durch ein Stammelternpaar und dessen Nachkommen gebildet, so daß also in bezug auf
jeden die erste Parentel aus seinen Nachkommen, die zweite aus seinen Eltern und deren Nach-
kommen, die dritte aus seinen Großeltern und deren Nachkommen usw. besteht; in jeder Parentel
bestimmt sich die Nähe der Verwandtschaft zwischen zwei Personen nach der Entfernung vom
Stammhaupte, so daß gleich Nahe einander gleichstehen („Vetterschaft“), bei ungleicher Ent-