Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 279 
wird voll nur von beiden zusammen dargestellt. In gewissem Umfange aber ist jeder Gatte 
für sich zum Träger der Gemeinschaft berufen. Und hierbei ist ihre Stellung ungleich. 
Der Mann ist Gemeinschaftshaupt. Im deutschen Recht fand seine Herrscher- 
stellung ihren Ausdruck in der ehemännlichen Munt, die sich als ehemännliche Vogtei, Vor- 
mundschaft oder Gewalt vielfach (insbesondere auch im preuß. und französ. Recht) erhielt, 
jedoch gemeines Recht nicht wurde und durch das BGB. beseitigt ist. Kraft der Munt war 
nach außen der Mann zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Frau befugt und 
verpflichtet, die Frau in ihrer selbständigen Handlungsfähigkeit beschränkt. Nach dem BGB. 
entbehrt der Mann jeder gesetzlichen Vertretungsmacht und tritt für die Frau keinerlei Be- 
schränkung der Geschäftsfähigeit ein; doch hat der Mann bei Verträgen, durch die sich die Frau 
zu persönlichen Leistungen verpflichtet, ein (bei Mißbrauch wegfallendes) unbefristetes Kündi- 
gungsrecht. Auch nimmt die Frau Namen, Stand, Staatsangehörigkeit und Wohnsitz des 
Mannes an. Nach innen hat der Mann das entscheidende Wort; er bestimmt Wohnsitz, 
Wohnung, Einrichtung des Haushaltes usw. (jedoch nur, insoweit er das Recht nicht mißbraucht). 
Dafür hat er in erster Linie die ehelichen Lasten zu tragen und die Frau standesgemäß zu 
unterhalten. 
Die Frau ist Mitträgerin der Gemeinschaft in der Stellung der Hausfrau. Nach 
außen vertritt sie innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises das Ehepaar und bindet und ver- 
pflichtet vermöge ihrer „Schlüsselgewalt“ den Mann durch die in diesen Bereich fallenden Ge- 
schäfte. Nach innen hat sie Recht und Pflicht der Leitung des gemeinsamen Hauswesens, je 
nach den Lebensverhältnissen auch die Pflicht der Mitarbeit. Im Notfalle muß sie auch dem 
Manne nach Maßgabe ihres Vermögens und ihrer Erwerbsfähigkeit Unterhalt gewähren. 
§ 102. Das eheliche Güterrecht. Das deutsche Recht ging stets von dem Gedanken aus, 
daß die personenrechtliche Verbindung der Ehegatten auch auf ihr Vermögen vereinigend wirke. 
Ursprünglich scheint das System der Eigentumseinheit in der Hand des Mannes gegolten zu 
haben, so daß alles Ehevermögen dem Manne gehörte, sein Eigentum aber familienrechtlich 
gebunden war. Seitdem aber die Frauen im Erbrecht besser gestellt wurden und mehr Ver- 
mögen einbrachten, entwickelten sich zwei andere Systeme. Das eine war die in den meisten 
Volksrechten anerkannte und besonders in Süddeutschland und Ostsachsen festgehaltene bloße 
Verwaltungsgemeinschaft, bei der das Frauengut Eigentum der Frau bleibt, aber mit dem Gute 
des Mannes zu einer einheitlich verwalteten und benutzten Masse vereinigt wird. Das andere 
war die namentlich im fränkischen und westfälischen Recht entwickelte Gütergemeinschaft, bei 
der das Vermögen beider Gatten zu einem gemeinschaftlichen Gesamtgut verschmilzt. Viel- 
fach aber kam es nur zu teilweiser Gütergemeinschaft. Neue Bildungen (mit Rücksicht auf die 
wachsende Bedeutung der Fahrnis) brachten die Stadtrechte; im ganzen neigten sie zur Güter- 
gemeinschaft. Schon gegen Ende des Mittelalters trat eine außerordentliche Zersplitterung 
ein, die sich nach der Rezeption steigerte. Neben die deutschen Systeme trat nun das römische 
Dotalsystem der grundsätzlichen Gütertrennung mit bloßem Beitrag zu den Ehelasten, das als 
gemeines Recht ausgegeben wurde, aber nur selten durchdrang. Die deutschen Systeme selbst 
wurden umgebildet und oft willkürlich verändert; in den Gesetzbüchern traten neue Formen 
hinzu. Das BG#. hat diesem bunten Rechtszustande ein Ende bereitet. Es hat ein einheit- 
liches gesetzliches Güterrecht für ganz Deutschland geschaffen (Verwaltungsgemeinschaft, in Aus- 
nahmefällen Gütertrennung), zugleich aber mehrere vertragsmäßige Güterstände (drei Arten 
der Gütergemeinschaft und die Gütertrennung) eingehend geordnet. Für die älteren Ehen 
gilt an sich das bisherige Recht fort; durch Landesgesetz ist aber in den meisten Staaten ihr 
Güterrecht in den nächstverwandten Güterstand des BGB., wennschon mit mancherlei Vor- 
behalten, übergeleitet worden. 
Das eheliche Güterrecht der einzelnen Ehe bestimmt sich nach dem gesetzlichen 
Güterstande, den das Personalstatut des Mannes im Augenblicke der Eheschließung er- 
gibt. In manchen Landschaften war bisher der gesetzliche Güterstand für die verschiedenen 
Stände ungleich. Durch Veränderung des Personalstatuts (mit Verlegung des Wohnsitzes 
oder Wechsel der Staatsangehörigkeit) wandelt sich nach der in dieser berühmten Streitfrage 
durchgedrungenen Ansicht das Güterrecht nicht. Dagegen tritt nach manchen Rechten mit
	        
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