2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 281
Erwerb der Frau aus Arbeit oder Betrieb eines selbständigen Erwerbsgeschäfts gehört.
Daran hat die Frau selbständiges Verfügungs-, Verwaltungs- und Nutzungsrecht; sie schuldet
nur subsidär daraus einen Beitrag zu den Ehelasten.
An dem sonstigen Vermögen der Frau, das im BS B. Eingebrachtes heißt, hat
der Mann Besitz, Verwaltung und Nutzung ohne Rechenschaftspflicht, aber mit der Pflicht
ordnungsmäßiger Verwaltung und Verwendung für die Zwecke der Ehe; er hat den ehelichen
Aufwand zu tragen und zunächst hierfür die Einkünfte zu verwenden, erwirbt aber das Eigen-
tum an den Früchten und lukriert die Errungenschaft. Zur Verfügung über die Substanz be-
darf er der Zustimmung der Frau; doch kann er nach älterem Recht und noch nach Preuß. LR.
über einzelne bewegliche Sachen, nach BGB. wenigstens über Geld und verbrauchbare Sachen
frei verfügen. Die Frau ist, soweit sie nicht kraft ihrer Schlüsselgewalt den Mann vertritt, in
der Verfügung über ihr Eingebrachtes beschränkt; sie bedarf zur Verfügung, von Ausnahme-
fällen abgesehen, der Einwilligung des Mannes. Ihre Fähigkeit, sich zu verpflichten, bleibt
unbeschränkt; sie bindet aber dadurch den Mann nicht in Ansehung ihres Eingebrachten.
Die Schulden bleiben getrennt. Für Schulden der Frau haftet nur ihr Gut, dieses
aber auch in der Hand des Mannes, sofern nicht die Schuld lediglich ihr Vorbehaltsgut angeht
oder von ihr während der Ehe rechtsgeschäftlich ohne Zustimmung des Mannes eingegangen
ist. Für Schulden des Mannes haftet nur sein Gut einschließlich der Früchte des Einge-
brachten, soweit sie nicht zum Familienunterhalt erforderlich sind. In einigen Rechten aber
entwickelte sich eine Schuldenhaftung des Frauenguts („Die dem Manne traut, traut auch seinen
Schulden"); die Frau konnte sich hier nur durch Überlassung des Gutes an die Gläubiger von
den Schulden des Mannes befreien. Im Verhältnis der Gatten zueinander ergeben sich Er-
satzansprüche, wenn die Schuld des einen aus dem Gut des andern bezahlt ist; solche Aus-
gleichungsansprüche können auch zwischen Eingebrachtem und Vorbehaltsgut entstehen.
Beendigt wird die Verwaltungsgemeinschaft während der Ehe durch Ehevertrag,
durch gerichtliche Aufhebung auf begründeten Antrag der Frau und durch Konkurs des Mannes,
im übrigen durch Auflösung der Ehe. Die Auseinandersetzung erfolgt durch Sonderung des
Gutes; der Mann muß das Eingebrachte herausgeben und für das ungehörig Verbrauchte
Ersatz leisten. Vielfach aber griffen im Falle der Auflösung durch Tod die dem überlebenden
Ehegatten gewährten eherechtlichen Vorteile abwandelnd ein. So findet sich im alamannischen
Recht eine Leibzucht des überlebenden Ehegatten am Gute des verstorbenen. Im sächsisch-
thüringischen Recht braucht der Witwer von der Fahrnis der Frau nur die „Gerade“ an die
nächste Niftel der Frau herauszugeben (unten § 115), während die Witwe ohne Rücksicht auf
die Herkunft der einzelnen Stücke alle zur „Gerade“ gehörige Fahrnis (Sachen solcher Art,
wie sie Frauen einzubringen und zu brauchen pflegen) und den „Musteil“ (die Hälfte der
Lebensmittelvorräte) empfängt. Nach schwäbischen und bayrischen Quellen kann die Witwe
stets oder doch bei beerbter Ehe die Hälfte oder ein Drittel der Fahrnis fordern. Manche Rechte
endlich gingen zur Quotenteilung des ganzen Vermögens über, so daß sich mit der Verwaltungs-
gemeinschaft eine sog. „Gütergemeinschaft von Todes wegen“ verband. Hierher gehört das in
der Const. Joachimica geregelte märkische Recht, das dem überlebenden Ehegatten die Wahl
zwischen Herausnahme des Seinigen und Hälftenteilung gibt.
Literatur: v. Martitz, Das eheliche Güterrecht des Sachsensp. u. der verwandten Rechts-
quellen, 1867. Agricola, Die Gewere zu rechter Vormundschaft als Prinzip des säch. ehel.
Güterrechts, 1869. Roth, Über Gütereinheit u. Güterverbindung, Jahrb. des gem. deutsch. R.
III 313 ff. Gerber, Gesammelte Abh. S. 311 ff. Kiesel, Die Bedeutung der Gewere
rr- am Frauengut (Unters. H. 85), 1906. Hradil, Zur Theorie der Gerade, Z. f. R.G.
67 ff.
8 104. Die allgemeine Gütergemeinschaft. Eine allgemeine Vermögensgemeinschaft
unter den Ehegatten entwickelte sich zuerst im fränkischen und westfälischen Rechte aus der Er-
weiterung der Errungenschaftsgemeinschaft (unten § 105) und aus der Rückwirkung der vom
fränkischen Recht zur Verfügung über Grundstücke geforderten gesamten Hand der Ehegatten
auf die Eigentumsverhältnisse. In den Städten wurde vielfach ihre vertragsmäßige Be-
gründung durch gegenseitige Vergabung üblich und sodann ihre gesetzliche Geltung ausgesprochen.
Luch auf dem Lande drang sie schon im Mittelalter vor. Nach der Rezeption behauptete sich