2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 285
des hohen Adels blieb sie fremd. Die Legitimation durch Restkript tilgte nur den Makel der
unehelichen Geburt und wurde erst später zur Ehelichkeitserklärung erweitert. Mit dem römi-
schen Recht wurde die Adoption ausgenommen, jedoch zur Annabme an Kindesstatt umgebildet:
dem hohen Adel blieb auch sie unbekannt.
Das deutsche Recht schrieb früh den Eltern ein gemeinschaftliches, mit Pflichten ver-
bundenes Elternrecht an den Kindern zu; dem Vater gewährte es die Munt, der Mutter
aber einen Anteil an der Herrschaft und Fürsorge und beim Wegfall des Vaters entweder
eine mütterliche Munt oder doch eine verwandte Macht. Nach der Rezeption wurde die
römische väterliche Gewalt dem Namen nach aufgenommen; sie blieb aber inhaltlich die
deutschrechtliche Munt. Daneben erhielt sich ein selbständiges Recht der Mutter (in manchen
Quellen als „mütterliche Gewalt“ bezeichnet). Das BB. hat an die Stelle der väterlichen
Gewalt die „elterliche Gewalt“ gesetzt, die Recht und Pflicht der Fürsorge für die Person
und das Vermögen des Kindes und in beiderlei Hinsicht gesetzliche Vertretungsmacht enthält,
daher durchaus die Natur der Munt hat und obervormundschaftlicher Aufsicht und Mitwirkung
unterliegt. Die elterliche Gewalt steht zunächst dem Vater zu; die Mutter aber ist neben ihm
zur selbständigen Mitausübung der Personensorge (insbesondere bei der Erziehung) berufen,
wenn auch dem Vater das entscheidende Wort gebührt. Im Falle der Verhinderung des
Vaters oder des Ruhens seiner Gewalt hat die Mutter die volle Ausübung der elterlichen Ge-
walt. Mit dem Tode des Vaters erlangt die Mutter die alleinige elterliche Gewalt, so daß
ein Vormund nicht bestellt wird. Ihre Gewalt unterscheidet sich von der des Vaters nur da-
durch, daß ihr auf väterliche Anordnung, eigenen Antrag oder bei besonderem Bedürfnis ein
Beistand zu setzen ist, und daß sie durch Wiederverheiratung die Gewalt bis auf die Personen-
sorge einbüßt.
Die Beendigung der elterlichen Gewalt trat nach deutschem Recht mit dem Aus-
scheiden des Kindes aus der Hausgemeinschaft ein. Im gemeinen Recht erhielt sich die Be-
gründung eines eigenen Hausstandes („eigen Feuer und Rauch') als Beendigungsgrund der
väterlichen Gewalt (sog. emancipatio tacita s. Saxonica). Ebenso blieb die Heirat der Tochter
als Beendigungsgrund der väterlichen Gewalt anerkannt. Das BGB. hat beide Beendigungs-
gründe beseitigt, läßt dagegen die elterliche Gewalt stets mit Eintritt der Volljährigkeit des
Kindes enden. Doch hört einerseits mit der Heirat der minderjährigen Tochter die elterliche
Personensorge auf. Andererseits behalten, wenn das volljährige Kind unselbständig im Hause
bleibt, die Eltern den Anspruch auf häusliche Dienste des Kindes; auch wird in diesem Falle
vermutet, daß das Kind, wenn es Beiträge zu den Kosten des Haushaltes leistet, keinen Er-
satz fordern und, wenn es sein Vermögen der elterlichen Verwaltung überläßt, freie Verfügung
über die Einkünfte einräumen will. Die elterliche Gewalt kann auch verwirkt werden. In
gewissen Fällen ruht sie. Endlich ist ihre inhaltliche Einschränkung oder Entleerung durch ober-
vormundschaftliche Entziehung elterlicher Rechte (insbesondere auch des Erziehungsrechts)
möglich. — Unabhängig von der elterlichen Gewalt besteht die gegenseitige Unterhaltspflicht
zwischen Eltern und Kindern fort.
Das uneheliche Kind tiitt nur zur Mutter m em rechtliches Kindschaftsverhältnis;
doch hat die Mutter ihm gegenüber keine elterliche Gewalt, sondern nur Personensorge, so
daß ein Vormund bestellt werden muß. Im Gegensatz zum älteren deutschen Recht und
zum Preuß. LR. ist das uneheliche Kind auch mit den Verwandten der Mutter in gleicher
Weise wie das eheliche Kind verwandt. Dagegen besteht zwischen ihm und dem Vater und
dessen Verwandten keine Verwandtschaft im Rechtssinne. Doch steht in Ansehung der Ehe-
hindernisse die natürliche Verwandtschaft der rechtlichen gleich. Außerdem entspringt ihr ein
schon im älteren deutschen Recht entwickelter, im gemeinen Recht erhaltener und im BG.
stark erweiterter einseitiger Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Erzeuger. Der Be-
weis der Vaterschaft, den das französische Recht abschneidet (la recherche de la paternité est
interdite) und auch deutsche Partikulargesetze (z. B. preuß. v. 24. Apr. 1854) einschränkten,
ist unbeschränkt zulässig; nur scheitert er schon an der Feststellung der Unsicherheit der Vater-
schaft (infolge des Umganges der Mutter mit mehreren in der Empfängniszeit), während die
eheliche Vaterschaft des in der Ehe geborenen Kindes nur durch den Nachweis ihrer Unmöglich-
keit widerlegt werden kann.