294 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
Einzelerbfolge im deutsch. Privatr. (Unters. H. 33), 1883. — Gal, Die Ausschließung der Aszendenten
von der Erbfolge und das Fallrecht (Unters. H. 72), 1904. — E. Heymann, Die Grundzüge
der Verwandtenerbfolge nach dem Entw. des B#., 1896.
§ 120. Eheliche Erbfolge. Das deutsche eheliche Güterrecht sorgte stets dafür, daß der
überlebende Ehegatte mehr empfing, als seine Erben empfangen hätten, wenn er zuerst ge-
storben wäre. Manche eherechtlichen Vorteile wurden frühzeitig erbrechtlich aufgefaßt, andere
nach der Rezeption in erbrechtliche Vorteile verwandelt. Seitdem das röm. R. mit seiner
kümmerlichen Bedenkung des überlebenden Ehegatten (bonorum possessio unde vir et uxor
und Quart der armen Witwe) als gemeines Recht galt, bezeichnete man das in allen Partikular-
rechten anerkannte stärkere Erbrecht des Ehegatten als successio conjugum statutaria oder
statutarische Portion. Die neueren deutschen Gesetzbücher gewähren meist dem überleben-
den Ehegatten ein vom ehelichen Güterrecht unabhängiges gesetzliches Erbrecht. Das BGB.
erhebt es zu gemeinem Recht. Die eheliche Erbfolge, die nach dem bisherigen Recht bald
Gesamtnachfolge in einen Anteil oder das Ganze, bald Sondernachfolge in einen Nießbrauch
an einem Anteil oder am Ganzen war, ist nach BG. stets Gesamtnachfolge. Der Ehegatte
erbt neben Nachkommen (ohne Rücksicht auf die bisher meist erhebliche Kinderzahl) ein Viertel,
neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern die Hälfte nebst den kraft ge-
setzlichen Vorausvermächtnisses ihm gebührenden Haushaltungsgegenständen und Hochzeits-
geschenken, darüber hinaus das Ganze. Doch ist das eheliche Erbrecht nicht, wie regelmäßig
die statutarische Portion, im ganzen Umfange unentziehbar; vielmehr hat der Ehegatte nur
einen Pflichtteilsanspruch auf die Hälfte, der ihm aus den Ehescheidungsgründen entzogen
werden kann. Durch Ehescheidung wird das Erbrecht auch für den schuldlosen Teil zerstört.
§ 121. Heimfallsrechte. In Ermangelung eines berufenen Erben galten im deutschen
Recht Heimfallsrechte, aus denen zum Teil gesetzliche Erbrechte herworgingen. An den Grund-
stücken im Markenverbande war ursprünglich nur ein Erbrecht der männlichen Nachkommen
anerkannt, in deren Ermangelung der Heimfall an die Gemeinde (die vicini) eintrat; allmäh-
lich wurde das Erbrecht erweitert und das Heimfallsrecht der Gemeinde eingeschränkt und zu-
letzt beseitigt. An den Gütern im hofrechtlichen Verbande blieb das Erbrecht stets durch herr-
schaftliche Heimfallsrechte beim Fehlen naher Erben beschränkt; überdies hatte der Herr vielfach
einen aus persönlichen Hörigkeitsverhältnissen herrührenden Anteil an der vererbten Fahrnis
in Gestalt des Besthauptes oder eines Sterbefalls zu beanspruchen. Auch gesetzliche Erbrechte
von Körperschaften am Vermögen ihrer Mitglieder entwickelten sich; heute noch haben ein-
zelne juristische Personen ein Erbrecht am Nachlasse der von ihnen verpflegten oder unterstützten
Personen (EG. a. 139). — Soweit ein näheres Anrechl nicht bestand, fiel erbloser Nachlaß an
den König. Später kam das Recht auf den erblosen Nachlaß an die Gerichtsherren und wurde
sehr zersplittert. Nach der Rezeption wurde es mehr und mehr mit der Landeshoheit ver-
knüpft und steht heute dem einzelstaatlichen Fiskus zu. Doch haben einzelne Städte und
Körperschaften es kraft Privilegs behauptet (vgl. EG. a. 140)0. Im BG#B. ist das Heimfalls-
recht als ein echtes gesetzliches Erbrecht ausgestaltet; nur kann der Fiskus nicht ausschlagen,
gilt also stets, wenn andere Erben fehlen oder wegfallen, als endgültiger Erbe vom Augen-
blicke des Erbfalles an.
Literatur: Gierke, Erbrecht und Bicinenrecht im Edikt Chilperichs, Zeitschr. f. R.G. XII
430 ff. Brunner, Zur Geschichte der ältesten german. Erbschaftssteuer (in Festschr. f. v. Martitz),
1911. Tomaschek, Das Heimfallsrecht, 1882. Hübner F 109.
Kapitel III. Gewillkürte Erbfolge.
§ 122. Vergabungen von Todes wegen. Das ällteste deutsche Recht kannte eine künst-
liche Erbenschaffung durch gerichtliche Ansippung unter gleichzeitiger Ubertragung bedingter
Gewere am Vermögen oder einem Vermögensteil. So die zu Händen eines Salmannes
vollzogene fränkische Affatomie oder Anbusung (L. Sal. 16, Rib. 48, 49, Marculf II 13) und
die langobardische thingatio (Ed. Rothar. 171, 173, 174). Hieraus entwickelte sich, indem
die familienrechtliche Seite verschwand, die rein sachenrechtliche Vergabung von Todes wegen.