2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 297
Teil der Fahrnis der Kirche oder einer milden Stiftung zuwandte. Sie wurzeln in dem alten
Totenteil, der einst dem Toten selbst anfiel und für ihn verwandt oder mit ihm begraben oder
verbrannt wurde, dann aber als Seelenteil die Bestimmung empfing, für sein Seelenheil zu dienen.
Darum mußten die Erben die Verfügung über den Seelenteil anerkennen; vielfach erheilt sich
die Anschauung, daß auch ohne Verfügung „der Seele ihr Teil“ gebühre (Schwabensp. (L.)c.
165). In der zweiten Hälfte des Mittelalters wurden darüber hinaus einseitige und wider-
rufliche Verfügungen von Todes wegen in Gestalt vor Gericht oder Rat errichteter „Geschäfte“
oder „Gemächte“ als rechtsverbindlich anerkannt; doch ließen auch sie den gesetzlichen Erbgang
unberührt und legten nur den Erben einzelne Vermächtnisse auf. Im weiteren Umfange als
das weltliche Recht suchte das kirchliche Recht den Testamenten, für die es eine kanonische Form
(coram parocho et duobus testibus) ausbildete, Anerkennung zu verschaffen. In das welt-
liche Recht fanden Testamente im römischen Sinne erst mit der Rezeption Eingang. Dem
heutigen Recht liegt das römische Testamentsrecht zugrunde, das aber wesentliche Abwand-
lungen erfahren hat.
Gegenüber der gesetzlichen Erbfolge greift im Gegensatz zu dem römischen
Satze „nemo pro parte testatus pro parte intestatus decedere potest“ die Erbfolge aus
Testament nur soweit Platz, als letztwillig verfügt ist; ein Anwachsungsrecht gilt nur unter den
auf einen gemeinschaftlichen Erbteil eingesetzten Erben und bei ausdrücklicher Ausschließung
der gesetzlichen Erbfolge.
Als Testamentsform wurde im gemeinen Recht das römische Privattestament
rezipiert, im Leben aber fast verdrängt durch die deutsche gerichtliche Form (persönliche Er-
klärung des letzten Willens vor Gericht oder persönliche Übergabe eines offenen oder ver-
siegelten Schriftstücks mit der Erklärung, daß dieses den letzten Willen enthalte). Die gericht-
liche Form wurde in manchen Partikularrechten (z. B. im Preuß. LR.) zur alleinigen ordent-
lichen Testamentsform erhoben. Anderswo wurde ihr die notarielle Form gleichgestellt. Das
BG#B. hat die gerichtliche und die notarielle Form als gleichwertige öffentliche Testaments-
formen ausgestaltet. Daneben aber hat es nach dem Vorgange des französischen und öster-
reichischen Rechts die private Form des eigenhändigen (d. h. eigenhändig geschriebenen, unter-
schriebenen und datierten) Testaments eingeführt. Von den außerordentlichen Testaments-
formen ist namentlich das bei Gefahr im Verzuge zulässige Testament vor dem Gemeinde-
vorsteher und zwei Zeugen deutschen Ursprungs. Daneben ist das Testament an abgesperrten
Orten (mündlich vor drei Zeugen), das Militärtestament und das Schiffstestament erleichtert.
Für den Inhalt des Testaments war nach gemeinem wie römischem Recht eine
Erbeseinsetzung wesentlich. Während das Preuß. LR. und das Osterr. GB. hieran noch
festhielten, ohne freilich viel mehr als einen Namensunterschied zwischen „Testamenten“ und
„Kodizillen“ zu machen, behandelt das BGB. nach dem Vorgange deutscher Partikularrechte
und des französischen Rechts alle letztwilligen Verfügungen mit und ohne Erbeseinsetzung gleich-
mäßig als „Testamente“. Die Erbeseinsetzung durch Testament wie Erbvertrag beruft zur
Gesamtnachfolge in den Nachlaß oder einen Bruchteil desselben. Sie kann aber im Gegen-
satz zum römischen Recht nicht nur aufschiebend, sondern auch auflösend bedingt oder befristet
sein, so daß anstatt der fideikommissarischen Substitution die Einsetzung eines „Nacherben“
hinter dem „Vorerben“ möglich ist und die gesetzlichen Erben, wenn die Erbeseinsetzung auf-
schiebend bedingt oder befristet ist, als Vorerben, wenn sie auflösend bedingt oder befristet ist,
als Nacherben eintreten. Doch ist die Bindung des Nachlasses zwar nicht hinsichtlich der Zahl
der Nachberufungen, wohl aber zeitlich (30 Jahre oder längere Lebensdauer der Beteiligten)
beschränkt. Das Vermächtnis begründet nach dem BGB. immer nur eine Forderung gegen den
Erben (kein Vindikationslegat). Aus der Auflage entspringt eine Klage auf Vollziehung, bei
öffentlichem Interesse auch für die zuständige Behörde.
Mit dem römischen Recht wurde dessen Noterben= und Pflichtteilsrecht
in das gemeine Recht aufsgenommen. Die Gesetzbücher schafften das formelle Noterbenrecht
ab und kennen nur ein materielles Pflichtteilsrecht. Nach BG#B. steht ein solches den Nach-
kommen, Vorfahren und Ehegatten, nicht mehr, wie nach gemeinem Recht bei Bevorzugung
einer persona turpis und nach Preuß. LR. unbedingt, Geschwistern zu. Der Pflichtteil wurde
gegenüber dem gemeinen Recht vielfach erhöht; nach B#e#B. beträgt er stets die Hälfte des