3. Bruns-Lenel, Geschichte und Quellen des römischen Rechts. 313
Delikts versprochenen Buße. Keine rechtliche, nur religiöse Bedeutung hatte der zur Be-
stärkung eines Versprechens geleistete Eid.
Staatliches Geld kannten weder die Königszeit noch die ersten anderthalb Jahrhunderte der
Republik. Das älteste, mit staatlicher Marke versehene, aus Kupfer gegossene Geld erscheint, wie
an den erhaltenen Stücken mit technisch-archäologischer und historischer Begründung nachgewiesen
werden konnte, erst um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr.: unter kampanischem Einfluß.
§s64. Patrizier und Plebezjer. In der Bevölkerung werden zwei Bestand-
teile unterschieden, Patrizier und Plebejer. Die Bedeutung und der Ursprung dieser Zwei-
teilung ist außerordentlich bestritten. Niebuhr zuerst stellte die Behauptung auf, die
Patrizier seien die eigentliche, politisch allein berechtigte Bürgerschaft der alten Zeit gewesen,
die Plebejer hätten ihnen gegenüber eine politisch rechtlose Masse gebildet, die namentlich von
der Teilnahme an der Volksversammlung — den comitia curiata — ausgeschlossen gewesen
wäre, und diese auch von Mommsen geteilte Ansicht ist auch heute noch weit verbreitet.
Im übrigen besteht unter ihren Vertretern eine weitgehende Meinungsverschiedenheit. Die
einen (so Mommsen) identifizieren die Plebs mit den Klienten der Patrizier (von denen unten
noch zu handeln sein wird), andere (wie Niebuhr selbst) setzen sie in ausdrücklichen Gegensatz
zu ihnen. Die einen lassen die Plebs hervorgehen aus der unterworfenen Ureinwohnerschaft
Latiums, andere (so Niebuhr) hauptsächlich aus besiegten Latinern, die man im Landbezirk
außerhalb der Stadt angesiedelt habe 2, wieder andere aus freigelassenen Sklaven und Land-
fremden, die sich den Aufenthalt in Rom dadurch ermöglichten, daß sie sich in den Schutz eines
patrizischen Patrons begaben usw. Es hat aber diese ganze von Niebuhr ausgehende Hypo-
these von dem rein patrizischen Urstaat keine Berechtigung. Sie stimmt weder zu der antiken
UÜberlieferung noch zu den Schlußfolgerungen, zu denen analoge Erscheinungen in anderen
antiken Städten zwingen. Die Plebejer gehörten in historischer Zeit, und zwar als stimm-
berechtigte Mitglieder, zu den Kurien (s. 9 7) 3, und es ist wenig wahrscheinlich, daß dies in der
Königszeit anders gewesen "; die Aufnahme in de Kurien zu ambitionieren, hatten die Plebejer
in einer Zeit, wo jene alle reale Bedeutung verloren hatten, keinerlei Veranlassung. Ebenso
waren die Plebejer, soweit wir geschichtlich zurückblicken können, wehrpflichtig, und auch dies
verträgt sich nicht mit politischer Rechtlosigkeit. Am allerwenigsten können sie, wie dies die
an Widersprüchen reiche Uberlieferung bei römischen Schriftstellern will 5, als Klienten der
Patrizier angesehen werden. Denn den Klienten verband mit seinem Patron ein religiöses
Treuverhältnis. Die Plebejer konnten de jure selbst Klienten haben . Die Macht der Patri-
zier aber in ihrem Kampfe mit der Plebs beruht nach der gerade hier durchaus glaublichen
Tradition ganz wesentlich auf der Masse der von ihnen abhängigen Klienten. Der ganze
Ständekampf wird unverständlich, wenn man in ihm einen Kampf der Patrone mit ihren
Klienten erblickt, deren Schädigung ihnen noch nach den zwölf Tafeln bei Strafe des reli-
i Bgl. Samwers-Bahrfeld, esch- des älteren röm. Münzwesens, 1883; Wil-
lers, Gese. der röm. Kupferprägung, 1909 25 f. Früher nahm man meist an, das älteste
Staatsgeld datiere von den Dezemvirn. Das Eie staatlichen Geldes ist aber keineswegs Beweis
für andauernden Tiefstand des Verkehrs. Auch Karthago ging erst sehr spät zur Münzprägung
über, und das hochentwickelte alte Agypten hat überhaupt nicht gemünzt. Auch darf nicht über-
sehen werden, daß der Handel mit den Etruskern und Griechen deren Gold-- und Silbermünzen
auch in den römischen Verkehr gebracht- haben muß. Zur Geschichte des älteren römischen Münz-
wesens vgl. noch Reling, Klio VI S. 489 f., wo insbesondere über die wichtigen Forschungs-
ergebnisse Häberlins berichtet Ist
* Neuerdings läßt Binder, Die Plebs (1909), Rom aus der Zusammenfassung einer
sabinischen Stadt auf dem Quirinal und einer latinischen auf dem Palatin zu einem Gemein-
wesen entstehen und sieht in den Bewohnern der ersten die herrschenden Patrizier, in denen der
letzteren die Plebejer. Eine Kritik dieser Auffassung ist an dieser Stelle nicht möglich.
Mommsen, Röm. Forschungen 1 S. 140 f.
* Vgl. auch S oltau, Altröm. Volksversamml. S. 88 f. A. Rosenberg, Unter-
suchungen zur röm. Zenturienverfassung (1911) S. 51 f.
* Vgl. Mommsen, Staatsrecht III S. 63 n. 4.
Plutarch, Ti. Gracch. 13, Marius 5.
*7 Wohin z. B. auch die Abführung i in die Schuldknechtschaft gehärt baben wade. Vgl. auch
Max Weber, Conrads Handwörterbuch der Staatswissensch., 3. Aufl.,