320 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
aber immer gilt die Bundesstadt als souverän. Sie hat Gebietshoheit, d. h. ihre Bürger haben
ihre Landgüter im Eigentume, und Exilrecht (d. h. ihr Bürgerrecht ist mit dem römischen un-
vereinbar); sie hat Münzrecht, Steuern und Zölle, eigene Verwaltung, Recht und Gerichtz sie
stellt Kriegsschiffe oder Mannschaften zum Heere; eigene auswärtige Politik aber ist ihr nicht
gestattet. Zu diesen civitates foederatae gehören auch die alten Latinerstädte und die latini-
schen Kolonien; die sociü# Latini nominis aber haben commercium, leichten Zugang zum Bürger-
rechte, stimmen in einer ausgelosten Tribus, wenn sie in Rom sind, und es ist ihnen zum Teil
sogar das conubium gewährt. — Die Provinzen stehen zu Rom im Untertänigkeitsverhältnis.
Dies hat ursprünglich nur politische und namentlich finanzwirtschaftliche Bedeutung, dadurch
daß Rom das Recht der Besteuerung für sich in Anspruch nimmtz in der gracchischen Zeit aber
tritt, wohl unter dem Einfluß rechtlicher Anschauungen, die sich in den hellenistischen Reichen
gebildet hatten, ein Wandel ein, der auch gesetzlichen Ausdruck findet 1. Die Provinzen gelten
jetzt als praedia populi Komani. Der Grund und Boden gehört dem Volke; die Einwohner
haben nur Nutznießung. Das Land wird von einem römischen Statthalter mit unbeschränkter
Militär- und Gerichtshoheit verwaltet: der Kriegszustand erscheint hier dauernd. Die städti-
schen Gemeinwesen bleiben als Verwaltungs-, namentlich als Steuerbezirke bestehen.
Die herrschende Gemeinde ist als souveränes städtisches Gemeinwesen gedacht.
Das bleibt sie trotz der ihr einverleibten anderen Gemeinden, die keine selbständige Verwaltung
haben (municipia civium Romanorum, conciliabula, praefecturae). Ihre Verfassung schildert
Polybius (VI 11—18) für die Zeit nach dem zweiten punischen Kriege als eine wohlabgewogene
Verteilung der politischen Macht und der staatsrechtlichen Funktionen zwischen Volk, Rat und
Beamten, so daß das demokratische, aristokratische und monarchische Element gleichmäßig zu
seinem Rechte kommt. Es hat einer Entwicklung in verschiedenen Richtungen bedurft, ehe die
römische Republik dahin gelangte, und sie ist nur kurze Zeit auf diesem Standpunkte geblieben.
#* 13. Die Anfänge der Republik und die sog. Servianische Ver-
fassung. Die Anfänge der Republik liegen für uns in tiefem Dunkel. Was römische
Quellen über die Verfassungsgeschichte des 5. Jahrhunderts v. Chr. berichten, das beruht nicht
auf zuverlässiger Uberlieferung, sondern, soweit es sich nicht um bewußte Fälschungen handelt,
auf Legenden fragwürdigen Ursprungs oder auf Rekonstruktionen, die die Auffassung weit
späterer Zeiten widerspiegeln. Als wahrscheinlich wird man etwa folgendes ansehen
dürfen. Die Vertreibung des etruskischen Königshauses wird das Ergebnis einer zugleich
nationalen und aristokratischen Erhebung gewesen sein, die durch den Niedergang der etruskischen
Macht um die Wende des 6. auf das 5. Jahrhundert begünstigt wurde. Die alte Königs-
gewalt wird aber nicht abgeschafft; sie geht über auf die beiden vom Volk gewählten Prätoren,
die späteren Konsuln, allerdings in wesentlicher Beschränkung: beschränkt durch die kurze Amts-
dauer eines Jahres, beschränkt durch die Kollegialität, die zwar jedem der beiden das Recht
beließ, auch allein mit voller Wirkung zu handeln, zugleich aber auch jedem das Recht gab, den
andern durch Widerspruch am Handeln zu verhindern (Interzessionsrecht), beschränkt durch
die Lostrennung des Oberpontifikats, das zum selbständigen lebenslänglichen Amte wurde,
beschränkt vielleicht auch schon durch das Amt des Quästors, der, zunächst vom Prätor selbst
ernannt (erst später gewählt), doch unter eigener Verantwortung den Staatsschatz verwaltet.
Ausnahmsweise kann die alte Königsgewalt unbeschränkt in der Diktatur wiederaufleben. Diese
Veränderungen mußten notwendig zu einer gewaltigen Steigerung der Macht des Senates
führen. Zwar bleibt dieser formal das bloße consilium consulum; aber den wechselnden und
technisch ungeschulten Beamten gegenüber verkörpert sich im Senat die Tradition der staats-
männischen Erfahrung sowohl in den inneren wie in den auswärtigen Angelegenheiten der
Gemeinde, so daß die eigentliche Regierung wenn auch nicht rechtlich, so doch tatsächlich in
seine Hand hinübergleiten mußte.
beraus zweifelhaft ist die Frage, in welchen Formen das Volk (der populus Romanus
Quirites) in jenen Anfangszeiten die ihm nunmehr zustehende Souveränität ausübte. Die
alte Kurienversammlung hat den Sturz der Königsgewalt überlebt, das ist gewiß; aber sie
i Mommsen, Staatsrecht III S. 730 f.