336 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
mählich erlangt. Die Senatsschlüsse werden nicht von Amts wegen aufgeschrieben. Der An-
tragsteller sorgte für die Aufzeichnung unter Zuziehung anderer Senatoren (qui scribendo
adkuerunt). Der Beschluß ist aber nur gültig, wenn er dem Rrar übergeben (deferre) und dort
nach Prüfung seiner Echtheit durch den Quästor (Plutarch. Cato min. 17) in das dazu bestimmte
Buch eingetragen (abgeschrieben?) worden ist (in tabulas publicas rekerre).
V. Gesetzgebung.
§ 23. Die äußeren Formen der Gesetzgebung waren folgende. Die
Initiative zu den Gesetzen war rechtlich ausschließlich bei den Beamten; tatsächlich konnte aller-
dings auch der Senat die Beamten, wenigstens die Konsuln und die Prätoren, dazu veranlassen.
Den Gesetzentwurf mußte stets der Beamte selbst abfassen oder durch andere abfassen lassen.
Faktische Regel war dann, daß der Entwurf im Senate zur Vorberatung eingebracht wurde;
rechtlich nötig war es nicht, und keinesfalls konnte die Mißbilligung des Senats die Volks-
abstimmung hindern oder ungültig machen. Der fertige Entwurf wird durch Edikt bekannt
gemacht und zugleich der Tag für die Abstimmung festgesetzt (promulgare, proponere); dieser
Tag muß mindestens ein trinundinum (drei Wochen, 24 Tage) hinausgeschoben sein (I. Caecilia
Didia 98). Der Entwurf hängt öffentlich aus; er kann zwar zurückgenommen (Ascon. in Corn.
p. 58), aber nicht abgeändert werden. In dieser Zeit wird der Entwurf in formlosen Vor-
versammlungen des Volkes (contio) beraten (suadere und dissuadere). Hier führt der antrag-
stellende Beamte den Vorsitz: er spricht; es durfte aber auch jedermann, dem der vorsitzende
Beamte das Wort verstattete (z. B. Liv. XILII 37), Reden für oder wider das Gesetz halten. In
der eigentlichen Komitialversammlung war dann bei der Abstimmung nur einfache Annahme
(uti rogas) oder Verwerfung (antiquo) des ganzen Gesetzes möglich, Abänderungsvorschläge
waren nicht zulässig. Beide Versammlungen können sich unmittelbar aneinanderschließen.
Mit der Verkündung des Abstimmungsergebnisses trat das Gesetz sofort in Kraft, wo es nicht
selbst einen späteren Zeitpunkt bestimmte (vacatio legis); einer öffentlichen Bekanntmachung
bedurfte es nicht. Doch wurde das Gesetz meist auf Erztafeln (die beziffert wurden) geschrieben
und eine Zeitlang öffentlich ausgestellt. Eine Abschrift wurde im aerarium aufbewahrt. Das
Gesetz wird nach dem Geschlechtsnamen des einen Antragstellers oder der mehreren benannt.
Denn die lex beginnt stets mit einer über alle Tafeln weggeschriebenen Einleitung (praescriptio,
index); sie gibt an: die Namen der Rogatoren, Ort und Monatstag der entscheidenden Volks-
versammlung, den Namen der zuerst stimmenden Zenturie oder Tribus und des zuerst in der
Abteilung Stimmenden. Dann folgen die einzelnen Satzungen im befehlenden Imperativ
oder Konjunktiv, bei längeren Gesetzen in einzelne Kapitel (wohl auch mit Uberschriften) ge-
sondert. Am Schlusse die sog. sanctio legis (D. 48, 19, 14), Anordnungen gegen Zuwiderhand-
lungen: Strafen, Ungültigerklärung gegen das Gesetz verstoßender Rechtsakte. Dazu können
noch Bestimmungen zum Schutze gegen Aufhebung treten, z. B. alle Beamten sollen die lex
beschwören 1. Die Sprache war in der früheren Zeit kurz und gedrängt, später pedantisch vor-
sichtig, langstielig und schwerfällig.
§ 24. Die Gesetzgebung. Die gesetzgeberische Tätigkeit der Komitien war sehr
lebendig, doch hatte sie wesentlich politischen Charakter: der größte Teil der Gesetze betrifft das
öffentliche Recht. Das Privatrecht und seine Weiterbildung überließ man im allgemeinen den
Prätoren und der Gewohnheit. Doch läßt sich das Privatrecht von den öffentlichen Verhält-
nissen nicht loslösen. Es sind auch Privatrechtsgesetze in republikanischer Zeit gegeben, bei denen
mindestens teilweise selbst für uns noch die politischen oder sozialen Beweggründe erkennbar
sind. Abgesehen von den verfassungsrechtlichen Gesetzen gehören hierher I. die das Straf-
und Zivilverfahren betreffenden. Unmittelbar mit den politischen Kämpfen der Demo-
kratie gegen die Nobilität hängen die zahlreichen leges iudiciariae zusammen. Es handelt sich
um die Besetzung der Geschworenenstellen in beiden Prozessen. Für das Zivilverfahren ist
diese von geringerer Bedeutung, denn hier wird der Richter meist durch Vereinbarung der
: Maschke, Zur Theorie u. Geschichte der röm. Agrargesetzgebung (1906) S. 44f.