338 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
als die Absicht, der Ausbeutung durch Erpressung von Schenkungen entgegenzuwirken (Tacit.
ann. 11, 5; 13, 42; 14, 20); die lex Voconia verkürzt zugleich den mehr und mehr Selbständig-
keit und Einfluß gewinnenden Frauen die Geldmittel, indem sie ihnen das testamentarische
Erbrecht entzieht. Die lex Falcicia (40) schützt den Erben vor Uberlastung mit Legaten. Die
leges Publilia, Appuleia, Furia, Cicereia (Gaius III 121 ff.) erleichtern in verschiedener Weise die
Verpflichtung aus der Bürgschaft, während dabei die schärfste Rückgriffsklage (a. depensi) des
zahlenden Bürgen gegen den Hauptschuldner beibehalten wird (Gaius IV 22). Die Gesetze gehören,
abgesehen von der lex Publilia, sicher in die letzten Jahrhunderte der Republik, denn schon die
I. Appuleia setzt Provinzen voraus (Gaius III 122). 3. In das eigentliche Familienrecht hat
die Gesetzgebung bis auf Augusts Ehe= und Kindergesetz (lex lulia et Papia Poppaea) nicht ein-
gegriffen; denn einc ler Maenia de dote hat es nie gegeben. Aber das Vormundschaftswesen
wird stark von der Familie abgelöst: der Prätor erhält das Recht, dem Unmündigen einen tutor
zu bestellen und ihn zu überwachen (I. Atilia, 1. Lulia et Titia: unbestimmbar). Die Fürsorge
ist durch die l. Plaetoria (c. 200) auch auf die Minderjährigen ausgedehnt. 4. Andere Privat-
rechtsgesetze haben, soweit man erkennen kann, keinen solchen Hintergrund: die I. Aquilia (28777)
wegen Sachbeschädigung, die 1. Scribonia, die die Servitutenersitzung aufhebt, die I. Atinia,
die 1. lulia et Plautia, die die Ersitzung der res furtivae und vi possessae untersagen. Bei
damnum iniuria datum hätte der Prätor so gut helfen können wie bei iniuria und Raub; die
Gesetze fallen wohl vor seine Reformtätigkeit durch das Edikt. Faßt man alle diese leges zu-
sammen, so darf man nicht sagen, daß die Gesetzgebung für das Privatrecht untätig gewesen
sei, besonders wenn man die gewaltige Triebkraft der XII Tafeln hinzunimmt. Allerdings
aber bleibt die sozusagen iuristische Ausgestaltung des Landrechtes der Gewohnheit und dem
Prätor vorbehalten.
§ 25. Überbleibsel. Auf uns gekommen sind von den Gesetzen der Republik
meistens nur der Name und längere oder kürzere Angaben des Inhalts bei den Schriftstellern,
juristischen und nichtjuristischen. Den Wortlaut haben wir ganz vollständig nur von einem
einzigen Gesetze ; häufiger sind Zitate einzelner Sätze oder Worte. Aber nur von wenigen
Gesetzen des 7. und 8. Jahrhunderts der Stadt sind einzelne alte Tafeln oder Bruchstücke von
Tafeln der allgemeinen Zerstörung entgangen und wieder aufgefunden. Die wichtigsten sind
1. elf Stücke von einer Tafel, auf deren einer Seite eine lex repetundarum (wahrscheinlich die
Acilia 123) 3, auf der anderen eine lex agraria stand (beide aus gracchischer Zeit); 2. die 8. Tafel
der lex Cornelia de viginti quaestoribus (etwa 81); 3. die 4. Tafel der lex Rubria“" de Gallia
Cisalpina (zwischen 49 und 42); 4. das 1880 gefundene Fragmentum Atestinum, ein Bruch-
stück, wahrscheinlich nicht, wie manche annehmen, der lex Rubria, sondern eines etwas alteren,
ebenfalls für Gallia Cisalpina bestimmten Gesetzes; 5. die tabula Heracleensis, ein Bruchstück
eines Julischen Gesetzes, das u. a. auch Bestimmungen über die Verfassung der Bürgergemeinden
enthält, daher das Gesetz — ob mit Recht, steht sehr dahin — gewöhnlich als I. Lulia municipalis
bezeichnet wird 5; 6. ein Bruchstück der bald nach dem Bundesgenossenkrieg erlassenen I. muni-
cipalis Tarentina; 7. vier Tafeln des Stadtrechts von Urso (Osuna in Spanien), wohin 44 auf
Cäsars Befehl eine Bürgerkolonie geführt wurde, daher lex Coloniae luliae Genetivse .
1 Wie sie M. Boigt, die 1. Maenia de dote (1866), annimmt.
„: Lex Quinctia de aquaeductibus vom Jahre 9 v. Chr. Bruns, Fontes I p. 113.
* Uber ein neues zugehöriges kleines Fragment berichtet Bormann, Feftschr. f. Hirsch-
feld (1903) S. 432 ff.
* Gegen Mommsen, Wiener Studien XXIV S. 238 ff. (Jur. Schr. I S. 192) vgl.
Kipp, Gesch. d. Quellen des RR. S. 42 N. 10.
* Literatur bei Kipp, a. a. O. S. 44, dazu Hackel, Wiener Studien XXIV p. 552,
Zocco-Rosa, Di alc. nuovi studüli sulla tav. d’Eraclea (1907).
Eine vollständige Zusammenstellung aller dem Wortlaute nach auf uns gekommenen Bruch-
stücke von Geseben und wichtigeren Senaksschiassen aus der Zeit der Republik s. bei Bruns, Fontes I
p. 45 8d., 164 21.