344 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
örterungen folgen zu können. Dabei mag denn auch mündliche Lehre und Anweisung für be-
sonders vertraute Anhänger vorgekommen sein, Schulung und Prüfung des Verständnisses
durch Unterredungen. Das nannte man wohl instituere oder docere (Cic. or. 141 sqq., Brut.
306). Für die letzten Jahrzehnte der Republik scheint aber das, was Pomponius D. 1, 2, 2, 43
von Servius Sulpicius erzählt (institutus a Balbo Lucilio, instructus autem maxime a Gallo
Aquilio), doch schon auf einen eigentlichen Rechtsunterricht hinzuweisen.
§* 29. Die Schriften. Die Bearbeitung des Sakralrechtes verblieb im wesent-
lichen den priesterlichen Sachverständigen (ius pontificium, jus augurium). Die Kenntnis des
Staatsrechts ist in republikanischer Zeit eng mit der politischen Tätigkeit verflochten, also nicht
eine selbständige Wissenschaft. Die Anfänge einer eigenen Schriftstellerei auf diesen Gebieten
sind wohl die Anweisungen zur Verwaltung der einzelnen Amter; dabei ist eine starke Neigung
zu antiquarischer Forschung vorhanden, die daraus hervorgegangenen Schriften können kaum
mehr als juristische gelten. Dagegen knüpft die Schriftstellerei auf dem Gebiete des Privat-
rechts an die praktische Tätigkeit der Juristen an. Wir sind durch Pomponius (§§ 35 sqqd.) über
die hauptsächlichen Männer und ihre Werke wenigstens notdürftig unterrichtet. Einmal werden
die Rechtsgutachten aufgezeichnet (schon von Coruncanius waren solche bekannt) und bilden
einen wichtigen Bestandteil der juristischen Schriften, wie wir von M. Brutus und Cato wissen
(Cicero, de or. II 32, 142). Dann wurden auch Formulare für Rechtsgeschäfte veröffentlicht.
Dahin gehören die venalium vendendorum leges des M.'Manilius (cos. 149), den Pomponius
als Mitbegründer des ius civile bezeichnet (Varro, de R. R. II 5, 11). Diese „Kautelarjuris-
prudenz“ bestand auch noch weiter, als die Wissenschaft schon zu anderen Formen übergegangen
war. C. Aquilius Gallus (Prätor 66), der Hauptschüler des Q. Mucius, gehört hierher mit
seinen Erfindungen: stipulatio Aquiliana, Erbeinsetzung der postumi, formulae de dolo malo. —
Das älteste Werk der Privatrechtswissenschaft, runabula juris, ist nach Pomponius (§ 36) des
S. Aelius Paetus (gen. Catus, cos. 198) tripertita (commentatio?). Er steht anscheinend noch
völlig auf dem Boden des Zivilrechts und der disputatio fori. Was die „Dreiteilung“ bedeutete,
ist nicht sicher zu sagen: am wahrscheinlichsten ist doch wohl, daß Sex. Aelius bei jeder einzelnen
Bestimmung den Text der XII Tafeln vorausschickte, daran die interpretatio knüpfte und endlich
die legis actio nebst Erläuterung folgen ließ — das gleiche Verfahren, das späterhin die Edikts-
kommentatoren beobachteten. Streitig ist das Verhältnis dieses Buches zu dem von Pom-
ponius an anderer Stelle (§ 7) erwähnten jus Aelianum 1: dies umfaßte nur Legisaktionen
im Anschlusse an das ius Flavianum (vielleicht nur Ergänzungen). Bald macht sich der Einfluß
der griechischen Bildung bemerkbar: man fängt an, das ius civile darzustellen; das setzt eine
gewisse systematische Anordnung und ein Zurückgehen auf allgemeine Gesichtspunkte voraus.
Davon berührt waren sicher schon die beiden Juristen, von denen Pomponius sagt, daß sie mit
Manilius „kundavere ius civile,“ d. h. doch wohl, daß sie zuerst Rechtsfragen abstrakt schrift-
stellerisch behandelten. M. Brutus, der es nur bis zum Prätor brachte, schrieb in drei Büchern
de civili jure; die Schrift hat die Form eines Gespräches mit seinem Sohne (Cicero, de or. II
223 8.), also ganz nach griechischem Vorbilde. Sie enthielt Erörterungen sehr mannigfaltiger
Fragen, unzweifelhaft nicht bloß unmittelbar praktischer Fälle (D.7, 1, 68 pr.; 41, 2, 3, 3; 49,
15, 4); wie Anlage und Uberschrift zeigen, sollte eine Art von Uberblick gegeben werden.
P. Mucius Scaevola (pontifex, cos. 133) hinterließ zehn libelli, über deren Inhalt nichts Näheres
bekannt ist (D. 24, 3, 66 pr.). Ein wirkliches System des Zivilrechtes versuchte erst Q. Mucius
Scaevola (pontifex, cos. 95) in 18 Büchern. Pomponius, der das Werk selbst bearbeitet hat,
sagt davon: ius civile primus constituit generatim in libros redigendo. Das kann nur heißen,
daß Q. Mucius eine übersichtliche Darstellung angestrebt habe durch Zurückführung des Gleich-
artigen auf allgemeine Kategorien und Scheidung des Ungleichartigen (Gaius I 188; D. 41,
2, 3, 23). Das „System“ wiederherzustellen ist nicht möglich 2; sicher ist, daß die Darstellung
mit dem testamentarischen Erbrechte begann. — Die Begründung der eigentlichen juristischen
„Dialektik“ schreibt Cicero erst seinem Freunde Serv. Sulpicius (cos. 51) zu (Brut. 42). Er hat
1 Huschke, Z. f. gesch. RW. XV 177.
„: Vgl. Lenel, Straßburger Festg. für Ihering (1892) S. 10 ff.