3. Bruns-Lenel, Geschichte und Quellen des römischen Rechts. 349
sehen. Es werden ihnen richterliche Verwaltungsgeschäfte vom Kaiser zugewiesen (§ 41). Sie
behalten das Amt regelmäßig nicht über ein halbes Jahr (suffectio). Die Prätoren haben außer
der Zivilgerichtsbarkeit und dem Vorsitze im Zentumviralgerichtshofe und in den quaestiones
auch noch „außerordentliche“ Gerichtsgeschäfte (S 41) und reine Verwaltungssachen (praetores
aerarül) übertragen erhalten.
Neben und vor diesen republikanischen Magistraten steht der Kaiser mit lebenslänglicher
außerordentlicher Amtsgewalt. Darin liegt, daß er persönlich sein Amt führen muß. Aber
das war bei der Verwaltung der Provinzen von vornherein unausführbar. Dorthin gehen
ale Vertreter legati (Augusti) pro praetore, also Männer senatorischen Standes. Im übrigen
nimmt der Kaiser zur Unterstützung bei halbstaatlichen und Staatsgeschäften die Vertrauens-
personen seines Hofhaltes, namentlich Freigelassene. So (wie unter Claudius) für die
Finanzen (procurator à rationibus), für Bittschriften (a libellis), als Sekretäre (ab epistulis).
Die wichtigsten Stellen der kaiserlichen Staatsverwaltung werden aber gleich anfangs mit Rittern
besetzt: der praefectus praetorio, der Anführer der Garde, der später zum „Vizekaiser“ wurde;
der praefectus vigilum, der die kaiserliche Feuerwehr in Rom befehligte; der praekectus an-
nonae, der für die Getreidezufuhr zu sorgen hatte; die beiden letzteren verdrängten die un-
fähigen Adilen aus wichtigen Teilen ihres Amtes. Später — seit Hadrian — wurden auch die
anderen „Prokuratoren“ aus dem Ritterstande genommen. Eine ganz eigene Stellung hat
seit Tiberius der praefectus urbi, der Polizeimeister von Rom und den umliegenden Land-
schaften (regiones suburbicariae): er ist stets Senator des höchsten Ranges und Zivilbeamter,
obwohl er cohortes urbange befehligt. Alle diese kaiserlichen Diener werden allein vom Kaiser
berufen, sie sind beliebig absetzbar, und ihr Mandat erlischt mit des Kaisers Tode; alle beziehen
Gehalt, und gerade mit Rücksicht darauf bildet sich eine Rangordnung: non sunt magistratus,
sagt Pomponius, sed extra ordinem utilitatis causa constituti sunt.
§* 36. Kaiserliche Verwaltung: Die Schwäche der Senatsregierung lag
auf dem Gebiete der inneren Verwaltung, namentlich im Finanz= und Steuerwesen und in
den Provinzialverhältnissen. Der Grund war ein doppelter. Das Senatsregiment konnte
wegen des Mangels an genügenden und geeigneten Beamten sich nicht um die technischen
Einzelheiten kümmern; man wurde zu einem weitreichenden Systeme von Verpachtungen
und Verdingungen gedrängt. Damit wirtschaftete man weit kostspieliger, und der Druck der
nur auf den Erwerb bedachten Publikanengenossenschaften lastete schwer auf den Provinzen.
Dann aber bleibt die Fürsorge für den Nichtbürger und Provinzialen gänzlich außerhalb des
Gesichtskreises des Senats. Für die wirtschaftliche Wohlfahrt der Bürger hat die republikanische
Gesetzgebung manches getan oder zu tun versucht (F 24); die Bundesgenossen sind souverän
und müssen für sich selbst einstehen; die Provinzen sind praedia populi Romani. Die Stärke
der Kaiserregierung, wie jeder Monarchie, ist gerade die innere Verwaltung. Sie übernahm
Rom in voller Auflösung, das nunmehrige Bürgerland Italien zerrüttet, die Provinzen ver-
armt und ausgesogen. Zunächst wird schon von August und Tiberius in der Hauptstadt gesorgt:
für Ruhe und Ordnung (durch die Freilassungsgesetze und den praekectus urbi), für Zufuhr
billigen Getreides (durch den praefectus annonae und die Largitionen), für Feuerlöschwesen
und nächtliche Sicherheit der Straßen (durch den praefectus vigilum). In Italien (und in den
Provinzen) werden die verrotteten städtischen Finanzen seit Nerwa und Trajan geregelt: durch
Finsetzung von curatores rerum publicarum (logistae), welche die Aufsicht über die Vermögens-
verwaltung und namentlich das Bauwesen führen. Damit gleichzeitig ist Trajans große Ali-
mentenstiftung, die einen völlig neuen Gedanken für Italien umfassend verwirklicht. Es wurden
vom Kaiser ausgeworfene Kapitalien an Grundbesitzer ausgetan und auf die Grundstücke eine
ewige Rente zugunsten der Städte gelegt; die jährlichen Zahlungen werden an Kinder dürftiger
Eltern verteilt. Der Zins ist so niedrig bemessen, daß auch die Grundbesitzer einen Vorteil haben.
Die Aufsicht führen seit Hadrian praekecti alimentorum, die Einzelgeschäfte wahrscheinlich die
Gemeindebeamten 2. Von Privaten werden diese Stiftungen nachgeahmt (Plin, ep. 7, 18;
: O. Hirschfeld, Die kaiserl. Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian, 2. Aufl. 1905.
* Bekannt ist diese Einrichtung wesentlich durch Inschriften, namentlich die tabula Veleias
und die tab. Baebianorum (B8runs, Fontes I p. 346 sd.). Sie geben indes keine Auskunft über
das mit den Grundbesitzern abgeschlossene Rechtsgeschäft; daher ist das Rechtsverhältnis bestritten.