350 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
Bruns, Fontes I p. 349 sq.). In den Provinzen hört die Steuerverpachtung auf, die der Zölle
wird anscheinend eingeschränkt; die Gefälle werden von kaiserlichen und Senatsbeamten er-
hoben. Die Domänenverwaltung wird (unter Hadrian) reorganisiert. Die Kehrseite dieser
unzweifelhaften Verbesserungen ist das starke Anwachsen des besoldeten Beamtentums; die
Ausgaben des Staates wurden dadurch beträchtlich vermehrt und allmählich wieder eine Last.
III. Gesetzgebung und Edikt.
s 37. Lex und senatus consultum. Im Beginne der Kaiserzeit haben die
Komitien ihr republikanisches Gesetzgebungsrecht weitergeübt. Augustus selbst hat, wohl kraft
seiner tribunizischen Gewalt, Gesetze beim Volke beantragt: die leges luliae de maritandis
ordinibus (18), iudiciorum publicorum und privatorum (177), de adulterüs, de ambitu, auch
wohl de vi publica und privata. Unter seiner Regierung wie unter der des Tiberius sind Gesetze
von den Konsuln mit dem Volke vereinbart: so die leges Fufia Caninia (2 v. Chr.), Aelia Sentia
(4p. C.), Papia Poppaea (9p. C.), lunia Norbana (19) 3, lunia Petronia (19: D. 40, 1, 24),
Visellia (24), lunia Vellaea (277); vereinzelt sind von Claudius (lex Claudia de tutela mulierum
und über Darlehen an Haussöhne) und von Newa noch die Komitien befragt (D. 47, 21, 3, 1).
Indessen kam die Gesetzgebung durch die Volksgemeinde allmählich ab; sie zieht sich vom
Volke in den Senat zurück. Möglich ist es, daß man sich diesen Ubergang durch die Annahme
vermittelte, die altübliche Vorbereitung und Empfehlung des Senats genüge, er drücke den
Volkswillen aus, der formellen Zustimmung bedürfe es nicht mehr (so Inst. 1, 2, 5); der Volks-
beschluß wurde jedenfalls nicht etwa fingiert, sondern einfach weggelassen. Das Senatus-
konsult wird danach von der zweiten Hälfte der Regierung des Tiberius an bis zu den
Severen die feste Form der Gesetzgebung. Eigentümlich dabei ist, daß die alte Form, daß der
Senat nicht befiehlt, sondern nur meint, rät und empfiehlt (censet, videtur, placet), stets fest-
gehalten wurde.
Der Gedanke ist dem Verhältnisse zwischen Senat und Beamten in dieser Zeit entsprechend:
dem Konsul oder Prätor wird eine Anweisung erteilt, der er nachzukommen hat. Das kann
unmittelbar und abstrakt geschehen: usuras non esse exigendas (Sc. luvent.); permittendum
nundinas habere; quse judicata sunt rata maneant. Aber es kann dem Beamten auch über-
lassen bleiben, wie er das vom Senate vorgezeichnete Ziel erreichen will; dann bedarf es regel-
mäßig noch einer Ausführungsverordnung (§ 38). In beiden Fällen pflegt der Senat gewisser-
maßen als Anleitung für die Beamten seinen Beschluß zu begründen. Die Senatsbeschlüsse
werden jetzt in der juristischen Sprache ähnlich wie die Gesetze nach dem Namen oder Zunamen
des Antragstellers genannt; nur das Sc. Macedonianum macht eine Ausnahme. Auch der
Kaiser kann auf Grund seines inus referendi ad senatum Anträge stellen. Er begründet dann
wie jeder andere Beamte seinen Vorschlag mit einem Vortrage (oratio principis). Häufig
stellt er den Antrag schriftlich und läßt ihn durch einen Vertreter (einen Quästor) verlesen. Be-
greiflich wird der Antrag regelmäßig zum Beschlusse erhoben (Sc. auctore principe factum).
Formell geschieht das anscheinend in der Weise, daß die oratio in den Senatsschluß ausgenommen
wird. So ist es erklärlich, daß die Juristen die oratio, die ja für die Auslegung Gesichtspunkte
enthielt (D. 5, 3, 22; c. Tanta § 18), häufig statt des Senatsschlusses anführen. Ferner aber
mußte die oratio, je nach dem Charakter des Kaisers, einen höflichen oder befehlenden Ton an-
nehmen (Severus D. 27, 9, 1, 1). Daß die Kaiser seit Hadrian die ausschließende Befugnis zu
Anträgen im Senate hatten, wird sich nicht behaupten lassen; sie haben das ius quintae rela-
tionis, d. h. sie dürfen in jeder Sitzung bis zu fünf Anträgen einbringen; aber auch andere brachten
welche ein (V. Marci 10; V. Pertinacis 9).
Dem Inhalte nach beschränkte sich die Gesetzgebung dieser Zeit durch leges, senatus-
consulta, orationes auf wenige Gebiete des Privatrechts. Der Schwerpunkt der Rechtsbildung
lag eben in der Wissenschaft und Praxis. Jene Gebiete sind zunächst die, welche Augustus bei
seiner Uberführung der Republik in die Monarchie neu geordnet hatte, nämlich Strafrecht und
Straf= und Zivilprozeß; das Recht der Freilassungen und der Freigelassenen (dadurch sollte
1 Schneider und Hölder, 8. XIX 186 ff., XX 31 ff.