370 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
§ 54. Uberbleibsel. Es sind nicht wenige Urkunden uns erhalten, zum Teil auf
dem ursprünglichen Material (Wachstafeln oder Papyrus), einzelne auf Steinen oder in Ab-
schrift. Es sind Schenkungen, Testamente, Käufe, Vermietungen und Verdingungen, Gesell-
schaft, Darlehen, Quittung, Servituten- und Superfiziesbestellung und Vereinssatzungen (leges
collegü) 1. Hervorzuheben sind davon:
1. Die siebenbürgischen Wachstafeln 2. In den alten, neueröffneten Goldbergwerken
bei Vöröspatak (bei Zlatna im südwestlichen Siebenbürgen) wurden von 1786 bis 1855 mehr als
40 Wachstafeltriptychen aufgefunden, teils vollständig, teils beschädigt: fast alle werden in Pest
im Museum aufbewahrt. Sie enthalten auf den inneren vier Seiten Urkunden (cautiones)
über Rechtsgeschäfte der verschiedensten Art: Kauf, Dienstmiete, Darlehen, Gesellschaft. Alle
zeigen römische Geschäftsformen, obwohl viele der vertragschließenden Personen Peregrinen
(Breuken, Pirusten) sind. Alle stammen aus der Zeit von 131—167, wo der Markomannen-
krieg beginnt. Die Schrift ist ein verschnörkeltes Kursiv und sehr schwer zu entziffern.
2. Die Pompejaner Quittungstafeln #. 6 Diptychen und 121 Triptychen von Wachs-
tafeln sind 1875 in einer Kiste in einem Hause Pompejis gefunden, das wahrscheinlich dem
L. Caecilius Secundus gehörte. Sie wurden mit äußerster Vorsicht nach Neapel geschafft. Es
sind, außer einer, die einen fiduziarischen Vertrag enthält, lauter Quittungen (apochae), die
für den Caecilius Secundus, offenbar einen Bankier, ausgestellt worden sind, aus den Jahren
52—68, eine aus dem Jahre 15, zwei andere von 37 und 46. Sie beziehen sich teils auf Pacht-
gelder, die Caecilius Secundus für die Gemeinde eingezogen und an sie abgeführt, teils auf
Auktionen, die er für Private vorgenommen hatte.
3. Die Funde der letzten Jahrzehnte haben in Agypten eine sehr große Zahl von Ur-
kunden zutage gefördert, zum Teil aus vorrömischer, namentlich aber auch aus römischer Zeit,
neben Rechtsgeschäften aller Art insbesondere auch Stücke von Prozeßakten. Diese Urkunden,
deren Zahl sich durch neue Funde beständig vergrößert, werfen auf die Rechtszustände in den
römischen Provinzen ein ganz neues Licht .
Vierte Periode. Das absolute Kaisertum.
I. Verfassung.
§ 55. Wesen der neuen Verfassung. Die absolute Beamtenmonarchie ist
schon unter dem Prinzipate langsam vorbereitet 5. Es handelt sich im wesentlichen darum,
den Senat aus seiner staatlichen Stellung zu verdrängen, damit dem Systeme der Ehrenämter
ein Ende zu machen und die Scheidung von Militär- und Zivilverwaltung durchzuführen. Diese
Entwicklung war nicht aufzuhalten, mochte auch unter den schnell wechselnden Kaisern in der
zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts der Senat zeitweise an Ansehen und Einfluß wieder ge-
winnen. Den Abschluß brachte Diocletian 0. Seine kunstreiche Verfassung ist von Constantin
ausgebaut und umgestaltet worden.
1 Die wichtigsten finden sich bei Bruns, Fontes I p. 283 sqq.
Herausgegeben von Massmann, ULibellus aurarius. 1841; ClIL. III p. 921
(Mommsen und Zangemeister).
* Zuerst herausgegeben von de Petra, Le tavolette cerate di Pompei. Rom 1876;
Mommsen, Hermes XII 88 (giornale degli scavi di Pompei 1879 p. 70)) Jangemeister,
CIL. IV suppl. pars prior 1898. Dazu Erman a. a. O.
SSie finden sich in zahlreichen Publikationen zerstreut. Die wichtigsten sind aufgeführt
bei Wilcken = Mitteis, Grundzüge u. Chrestomathie der Papyruskunde I (1912) S. XXV ff.
Der Forschung auf diesem Gebiete ist gewidmet das von Wilcken herausgegebene Archiv f.
Papyrusforschung und verwandte Gebiete (seit 1901).
* J. Burckhardt, Die Zeit Konstantins des Großen. 1853 (2. Aufl. 1880). Schiller,
Geschichte der römischen Kaiserzeit II (1887). Seeck, Untergang der antiken Welt (1895) S. 1 ff.
* Mommsen, Abriß des röm. Staatsrechts (1893) S. 347 ff.