Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

3. Bruns-Lenel, Geschichte und Quellen des römischen Rechts. 385 
auf Justinians besonderen Befehl Zusätze über das neuere Konstitutionenrecht hinzu 1. Das 
Ganze wurde in vier Bücher und diese in 98 Titel geteilt, in diesen aber nicht, wie in den Pan- 
dekten, die ursprüngliche Quelle genannt, sondern alles zu einem einfachen Texte verbunden, 
wobei Justinian selber als redend fingiert wird. Das Werk erhielt volle Gesetzeskraft gleich- 
zeitig mit den Pandekten. 
5. Der neue Kodex. Die Abfassung der Pandekten machte eine Revision des 
Kodex nötig. Die vielen durch die Pandekten veranlaßten Gesetze mußten ihm einverleibt, 
die alten in Inhalt und Ordnung den Pandekten angepaßt werden. Schon im Januar 534 
bekam Tribonian den Auftrag, eine „repetita praelectio“ des Kodex zum Zwecke dieser 
Veränderungen zu veranstalten. Er nahm den Dorotheus und drei Advokaten zu Hilfe, und 
am 11. November wurde der Kodex in der neuen Gestalt publiziert (c. Cordi). Er enthält über 
4600 Konstitutionen, doch sind darunter 80 doppelt und 500 sind durch Zerlegung von 200 größeren 
entstanden. Die größere Hälfte, über 2600, ist aus der Zeit vor Constantin, also aus der Re- 
skriptszeit. Die älteste ist von Hadrian, aber nur eine, die übrigen verteilen sich sehr un- 
gleich; von den beiden Severen und Caracalla sind 880, Gordian 272, Dio- 
cletian 1222, von allen übrigen bis Constantin nur 280; aus der späteren Zeit sind von 
Constantin 208, den beiden Theodosen 567, Justinian 403. Die älteren bis 
Constantin sind weniger verändert als die Juristenschriften in den Digesten, obwohl es auch 
hier an Interpolationen keineswegs fehlt; die späteren sind meistens sehr abgekürzt, in mehrere 
zerlegt, oft im Wortlaute ganz umgestaltet; nur Justinians Gesetze sind meistens in ihrer ganzen 
Breite ausgenommen. Die ganze Masse ist in 12 Bücher geteilt und diese in sehr viele, meist 
kleine Titel mit ÜUberschriften. In den Titeln stehen die einzelnen Konstitutionen rein der Zeit 
nach, immer mit den alten In-- und Subskriptionen. Die Ordnung ist im wesentlichen wie in 
den Pandekten, jedoch mit Abweichungen. Außerdem ist im ersten Buche das Kirchenrecht 
vorangestellt, in den beiden letzten das kaiserliche Finanz- und Verwaltungsrecht angefügt. 
Über 150 Konstitutionen sind griechisch, die früheste von Septimius Severus. Diese sind später 
in Italien in den Handschriften sämtlich weggelassen, daher meistens ganz verloren und erst 
seit dem 16. Jahrhundert aus den Basiliken und anderen griechischen Quellen zum Teil wieder 
eingesetzt worden — „restituiert". Man nennt sie danach bei uns leges restitutae 2. 
6. Die Novellen. Zwei so rührige Gesetzgeber, wie Justinian und Tribonian, 
blieben natürlich auch nach Vollendung der Sammlungen nicht untätig, namentlich da alle 
schwierigen und zweifelhaften Rechtsfragen, die in der Praxis auftauchten, an den Kaiser zur 
Entscheidung berichtet werden mußten. Schon am 1. Januar 535 erschien die erste novella 
constitutio, veup Siäraktr, ein wichtiges Gesetz über Testamente, das, worin die Ausschließung 
der Falcidia erlaubt wurde. Ihr folgten in demselben Jahre noch gegen 30 andere, und so in 
den nächsten 10 Jahren bis zu Tribonians Tode (545) noch über 100, in den dann folgenden 
20 Jahren bis zu Justinians Tode (565) kaum noch 20. Wieviel im ganzen, wissen wir nicht, 
wir kennen 175. Ihre Gestalt ist die, daß eine praefatio über den Anlaß des Gesetzes voran- 
geht, dann die Bestimmungen in Kapiteln folgen und ein epilogus schließt. Ihr Umfang ist 
sehr verschieden, manche haben nur ein kurzes Kapitel, andere 40 bis 50. Sie beziehen sich 
meistenteils auf Staatsverwaltung und Kirchenwesen, manche enthalten aber auch tiefeingreifende 
privatrechtliche Bestimmungen, namentlich über Familien= und Erbrecht. Ihre Sprache ist 
meistens die griechische, nur 15 sind lateinisch (sie waren für die Westprovinzen bestimmt), drei 
in beiden Sprachen. 
Gesammelt sind sie von Justinian selber nicht mehr. Auf uns gekommen sind drei Privat- 
sammlungens: 
1 Versuche, in den Institutionen, soweit möglich, die bei ihrer Abfassung benutzten Quellen 
nachzuweisen, bieten Ferrini, Bullett. XIII p. 101 s. (dazu Kübler, 3R6. XXXVI 
S. 508 ff.) und ZJocco-Rosa, Imp. lustiniani institutionum palingenesia. 2 Bde. 1909. 
1911. 
* K. Witte, Die leges restitutae des Justinianischen Kodex. 1830. 
* Die Art ihres Zustandekommens wird überzeugend aufgeklärt durch Noailles, les col- 
lections des novelles (1912). 
Enzyklopädle der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Ausl. Band I. 25
	        
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